Paloma - Ein Liebesroman (German Edition)
das Wasser absuchte. Aber es fiel ihm verdammt schwer, weil es sich nicht um irgendjemand sondern um Salvador handelte. Er erinnerte sich noch gut daran, wie sie sich damals mit der Grube für seine Zisterne abgeschunden hatten.
„Gibt es irgendwelche Strömungen hier?“
„Eine ganze Menge.“
„Auch das noch.“
„Man sieht, du hast keine Ahnung. Wasser liegt niemals still, irgendwohin bewegt es sich immer.“
„Gut“, sagte Philipp. „Wohin würde es ihn also treiben, wenn er sein Boot nicht mehr steuern könnte oder wenn irgendwas mit dem Motor wäre.“
„Kommt darauf an.“ Paco kniff die Augen zusammen und konzentrierte sich auf einen Punkt auf dem Wasser, der hinter Philipps Rücken lag. Philipp drehte sich um und blickte in dieselbe Richtung, überzeugt davon, Paco habe etwas entdeckt. Aber es gab nichts zu sehen in dem grauen, bleiernen Licht, das den Horizont mit dem Wasser verschmelzen ließ. Allmählich überkam ihn das Gefühl, dass ihre Suche unter diesen Lichtverhältnissen sinnlos war. Er konnte nur hoffen, dass Paco wusste, was er tat. Weil er, Philipp, erbärmlich wenig über das Meer wusste, obwohl er alles in allem nun schon so viele Monate auf einer kleinen Insel verbracht hatte. Aber das Meer war ihm nicht wichtig gewesen im Zusammenhang mit Seefahrt oder Fischen oder Angeln, er war einfach gerne in seiner Nähe, blickte gerne auf die unendlich wirkende Weite und liebte diesen typischen Geruch nach Meer.
„Kommt ganz darauf an, wie weit draußen er ist. Wenn er etwa auf unserer Höhe wäre, würde ihn die Strömung aufs Land zutreiben. Allerdings bei den Klippen vom Cap. Behalte also auch die Küste im Auge.“
Was leichter gesagt als getan war. Aus dieser Entfernung und bei diesem Licht ragte das Steilufer vom Cap wie eine formlose graue Masse vor dem Nachthimmel auf. Philipp erinnerte sich daran, wie Paloma ihm die wilden Schweine dort gezeigt hatte. Aber daran mochte er jetzt nicht denken. Wie er sich auch in der Vergangenheit bemüht hatte, nicht daran zu denken. Was oft genug verdammt schwer gewesen war.
„Und wenn er weiter rausgefahren wäre?“
„Ich hoffe nicht. Weiter draußen gibt es eine Menge Strömungen in Richtung Festland, also aufs offene Meer zu.“
„Verdammt! Wenn wir wenigstens Suchscheinwerfer hätten.“
„Oder wenn die verdammten Wolken verschwinden würden und der Mond durchkäme.“
Philipp nickte.
Sie waren etwa eine Stunde unterwegs, als Philipp einen winzigen dunklen Punkt am Horizont entdeckte. Er machte Paco darauf aufmerksam, obwohl er mittlerweile wusste, wie trügerisch die Lichtverhältnisse waren. Einige Zeit vorher hatte ihm ein Stück Schwemmholz, einmal sogar ein abgetriebener Wasserball vorgegaukelt, er habe ein Boot entdeckt. Paco hielt darauf zu und als sie nahe genug waren, stellte sich heraus, dass es sich diesmal tatsächlich um ein Boot handelte. Allerdings nicht das von Salvador. Philipp erkannte zwei der Männer, mit denen Paco vorhin in San Lorenzo gesprochen hatte.
„Paco, wir machen Schluss für heute. Es ist hoffnungslos jetzt in der Nacht“, rief einer der beiden herüber, als sie knapp auf einer Höhe waren. Philipp kannte sie nicht. Sie waren etwa in Salvadors Alter und hatten ein ähnliches Boot wie er, ein ehemali ges Ruderboot, aufgerüstet mit einem Motor.
„Wir bleiben noch eine Weile draußen“, rief Paco zurück.
„Na dann, viel Glück“, antwortete der Mann.
Als die Dunkelheit das andere Boot geschluckt hatte, fühlte Philipp sich plötzlich mehr als elend. Er sagte sich, dass Paco von Anfang an gewusst haben musste, dass es sinnlos war, was sie hier taten. Dass er nur deshalb hinausgefahren war, weil er nicht anders konnte – Salvadors wegen. Ihm war klar, auch sie würden früher oder später aufgeben müssen. Was für Salvador noch eine weitere Nacht auf dem Wasser bedeutete. Falls ihn nicht zufällig eines der anderen Boote fand, die jetzt noch draußen waren.
Philipp hoffte, dass Salvador wenigstens eine Flasche Wasser bei sich hatte, aber es kam ihm ziemlich unwahrscheinlich vor. Er hatte nie gesehen, dass Salvador etwas mitnahm, wenn er zum Fischen aufbrach.
Der Motor brummte ruhig vor sich hin und Paco hielt immer noch aufs offene Wasser zu. Sie sprachen nicht, blickten nur angestrengt aufs Wasser und warteten. Darauf dass sich die Wolken endlich verzogen und dass der Mond aufging und darauf, dass irgendwo in der Ferne ein Boot auftauchte.
Irgendwann begannen Philipp die Augen zu
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