Paloma - Ein Liebesroman (German Edition)
wieder fallen. „Als ob wir nicht schon selber daran gedacht hätten.“
„Ja und?“
„Drüben auf der Nachbarinsel haben sie einen. Aber der ist natürlich kaputt im Moment und kein Mensch weiß, wie lange die Reparatur dauern wird.“
„Gott im Himmel!“
„Der hilft uns wahrscheinlich noch eher als dieser elende Hubschrauber.“
Philipp zermarterte sich den Kopf nach einer anderen Lösung, aber ihm fiel nichts ein. Ernesto stand auf. „Gehen wir. Die Nacht ist kurz.“
Auch alle übrigen erhoben sich. Paco war der erste, der an der Tür war. „Ich wünschte, ich könnte gleich morgen früh rausfahren, aber ihr wisst ja, ich bin nicht mehr mein eigener Herr.“
Philipp folgte ihm und als er an der Tür war, sagte er zu Paloma: „Ich komm morgen noch mal vorbei.“
Schweigend sah sie ihn an. Mit übergroßen Augen in einem blassen Gesicht. Dennoch kam es Philipp so vor, als ob sich das Mädchen, von dem er vor Jahren oben an der Mühle Abschied genommen hatte, rein äußerlich nicht verändert hatte.
Während der Fahrt nach San Lorenzo, wo Philipp sein Auto stehen hatte, kam Paco auf seine Bemerkung von vorhin zurück. „Kennst du das Sprichwort: Lieber ein kleiner Herr als ein großer Knecht?“
„Ja.“
„Und du weißt, was ich damit meine?“
„Ich denke schon.“
„Du hast es gut, du bist dein eigener Herr.“
„Ja, jetzt schon. Kleiner oder großer Knecht, das wäre nichts für mich.“
„Glaubst du für mich? Irgendwann muss ich den Absprung schaffen und wieder mein eigener Herr werden.“
„Ich wünsche es dir.“
„Ich hab sogar ein paar Ideen.“
„Gut, aber lass uns ein anderes Mal darüber reden. Nicht heute Nacht.“
„Ja, okay. Aber wahrscheinlich hast du in nächster Zeit gar keinen Kopf dafür. Wann kommt sie denn?“
„Ende der Woche.“
„Und sie war noch nie hier auf Magali?“
„Nein, noch nie.“
„Schade, sie hätte früher kommen sollen. Vor ein paar Jahren. Da hat es sich noch gelohnt.“
„Ich weiß.“
Sie kamen jetzt an der Bar El Centro vorüber, aber das Rollgitter an der Tür war bereits herunter gelassen. Ein paar Handzettel lagen verstreut auf der Plaza Consistorial. Mehr war von der Menschenmenge am frühen Abend nicht übrig geblieben.
Paco setzte ihn vor dem Schreibwarengeschäft ab, wo Philipp sein Auto stehen hatte, aber anstatt direkt zur Hauptstraße einzubiegen, fuhr Philipp langsam die menschenleere Calle Marc Ferrer hinunter, bog dann nach links ab und fuhr durch den jetzt stillen, menschenleeren Ort.
Er kam an der neuen Einkaufspassage vorbei mit ihren Säulen und Marmorfußböden, die wie eine elegante Flaniermeile aussah, wo aber nur ein paar Souvenirshops billigen Ramsch anboten. Fuhr an Bauruinen vorbei, deren bereits beginnender Verfall im Tageslicht nicht zu übersehen war und an leerstehenden Apartmenthäusern, an deren Fenstern Schilder mit den Aufschriften „Se vende“ und „Se alquila“ hingen. Zu verkaufen und zu vermieten also. Der Ort wirkte in seiner Stille wie ausgestorben. Das Nachtleben auf der Insel spielte sich in den Touristengebieten ab.
Draußen an der Cala Dragonera gab es eine andere Stille, jene, die nur im freien Gelände vorkommt. Rascheln und Knacken in den Büschen, ein feines Fiepen oder Gurren, sanfter Wellenschlag vom Strand her. Philipp liebte diese Art von Stille und er brauchte sie auch. Nach hektischen Wochen in der Agentur suchte er häufig, wenn auch nur für einige Tage, Entspannung in der Cala Dragonera. In dieser Nacht war er jedoch nicht empfänglich dafür. Er war mit seinen Gedanken bei Salvador, der nun schon die zweite Nacht auf dem Wasser draußen war und bei Paloma. Er wünschte sich, ihr wäre die Sorge um ihren Vater erspart geblieben.
Er holte eine Flasche Wein, zündete aber keine Lampe an, obwohl es im Haus stockfinster war und setzte sich in einen der Korbsessel auf der Veranda. Nach einer Weile musste er sich jedoch eine Jacke holen. Die Nacht war ungewöhnlich kühl für diese Jahreszeit. Und als er eine ganze Weile später ins Bett ging, musste er sogar das Fenster schließen und sich eine Decke besorgen.
Da Philipp ziemlich viel getrunken hatte, schlief er rasch ein, aber kaum zwei Stunden später fuhr er plötzlich hoch und sah alarmiert zum Fenster, durch das erstes Morgenlicht fiel. Irgendetwas war los da draußen, das spürte er. Und dann hörte er es. Sturm fuhr heulend ums Haus, riss an den Fensterläden, schlug das Stück losgerissener Regenrinne am
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