Paloma
Philipp, würde sich für Karen nur insoweit etwas ändern, dass sie nicht mehr zusammen lebten. Sein Leben dagegen würde, nein musste, sich von Grund auf ändern. Irgendwann, aber nicht heute Abend, würde er sich entscheiden müssen, wie er seine Zukunft organisierte. Immerhin hatte er die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten. Entweder er pendelte jede Woche hin und her und führte eine Wochenend-Beziehung mit Paloma und würde mehr oder weniger eine Art Besuchsdaddy für Blanca oder er machte einen radikalen Schnitt und vergaß die ganzen Werbe-Etats für Waschmittel oder Babywindeln und löste sich von der Agentur durch Verkauf oder Einsetzen eines Geschäftsführers und fing hier unten noch einmal von vorne an. Womit auch immer.
Als er schnelle Schritte hinter sich hörte, gab er sich für einen Moment der Hoffnung hin, Paloma hätte ihn, wie schon einmal vor Jahren, hier unten aufgespürt. Aber dann nahmen die in der einsetzenden Dunkelheit verschwimmenden Konturen Form an und er sah, dass es Bobby war. Er winkte ihr zu.
„Gut, dass du kommst. Ich versuche, irgendwie Ordnung reinzubringen in meine Gedanken und bin schon ganz wirr im Kopf.
„Lass es besser bleiben für heute und komm mal mit.“
„Wieso? Was ist denn?“ Philipp stand auf. Darauf gefasst, dass jetzt Karens Namen fiel.
„Ich weiß auch nicht. Komm einfach mit und schau es dir an.“
„Was denn? Sag doch schon endlich.“ Philipp sprang vom Felsen herunter.
„Irgendwo da hinten, Richtung San Ferrán, muss irgendwas brennen. Das Licht dort hinten ist so merkwürdig, mir gefällt das gar nicht.“
Philipp drehte sich um und blickte in die angegebene Richtung.
„Gehen wir nach oben. Von hier unten kannst du es nicht sehen.“
„Doch. Da schau!“ Philipp zeigte in Richtung der Pinien, wo der dunkle Himmel in einiger Entfernung rötlich schimmerte. „Verdammt, du hast recht. Da drüben brennt es. Mein Gott, womöglich fackelt wieder einer dieser Idioten sein Feld ab.“
„Jetzt im Sommer, wo alles trocken wie Zunder ist?“
„Kann ich mir auch kaum vorstellen.“
Sie gingen über den Strand und stiegen dann die kurze Anhöhe zu Philipps Land hinauf, nahmen den Trampelpfad zwischen Rosmarinsträuchern und anderem Gebüsch bis zur Pforte des Gartentors. Oben angekommen, blieb Philipp stehen. Von hier aus war eine senkrecht stehende Rauchwolke zu erkennen, die sich vom Nachthimmel deutlich abhob. Flammen waren nicht zu sehen.
„Lass uns hinfahren“, sagte Bobby.
„Ja, gut.“
Sie gingen schneller, wobei Philipp bereits überlegte, was sie mitnehmen könnten. Spaten und Schaufeln auf alle Fälle, denn wenn es vielleicht auch nur auf einem Feld brannte, waren Sicherheitsvorkehrungen unbedingt nötig. Zum Glück ging kein Wind, mit Funkenflug war also nicht zu rechnen.
Die Kinder schliefen noch nicht. Sie kamen aus dem Haus, als sie Philipp und Bobby hörten und blickten ebenfalls zu der Rauchwolke hinüber. Als sie erfuhren, dass Bobby und Philipp ohne sie fahren würden, waren sie enttäuscht, aber Bobby blieb eisern.
„Ihr geht wieder ins Bett. Habt ihr verstanden? Und wenn irgendwas wäre, Karen ist da.“
In der Zwischenzeit hatte Philipp Spaten und Schaufeln in den Kofferraum seines Autos geworfen. Und als Bobby neben ihm saß, fuhr er los.
„Wie komm ich dort am besten hin?“
„Keine Ahnung. Zu Fuß, querfeldein, wären wir schneller da.“
„Ich weiß“, antwortete Philipp. „Aber vielleicht brauchen wir das Auto. Falls noch keiner die Guardia Civil verständigt hat. Vielleicht wird ein Löschwagen gebraucht. Verdammt! Demnächst schaff ich mir eins von diesen Auto-Telefonen an, das schwör ich dir.“
Danach schwieg Philipp. Sie waren jetzt auf dem Sandweg und er musste sich darauf konzentrieren, die Spur in der eingefahrenen Rinne zu halten, wollte aber auch nicht allzu langsam zu werden. Sie hatten die Rauchwolke nun in ihrem Rücken, als sie jedoch die Landstraße erreichten, stimmte die Richtung wieder.
„Mein Gott, das Feuer muss in der Gegend von Desirees Haus sein“, sagte Bobby. Philipp hatte das bereits vermutet, hatte es nur nicht aussprechen wollen.
„Vielleicht brennt es in dem Wäldchen in ihrer Nähe. Diese verfluchte Monokultur hier überall, nichts brennt so leicht wie Pinien.“
Philipp hatte vor Jahren einmal einen Pinienwald brennen sehen. Die Bäume waren geradezu explosionsartig in Flammen aufgegangen.
Er bog auf den Camino ab, den sie auch sonst benützten, wenn sie mit dem Auto
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