Paloma
gewesen. Er hatte sich eingeredet, es sei dort zu überlaufen in letzter Zeit. Seine Enttäuschung saß einfach zu tief. Vielleicht war es auch um sein angeknackstes Ego gegangen. Was aber letzten Endes aufs Gleiche hinaus lief. Nicht einmal ihre Briefe hatte er später noch einmal gelesen, hatte sie irgendwo in einer Schublade vergraben. Eine Handvoll Briefe nur, mehr war er ihr wohl nicht wert gewesen. Auch keine Erklärung, weshalb sie plötzlich jede Verbindung abgebrochen hatte. Den Grund dafür hatte er erst später erfahren. Und ausgerechnet durch jenen Wasserfahrer, der ihm die Zisterne gefüllt hatte. Bis heute hatte er nicht vergessen, wie der Kerl damals dagestanden und sich gebrüstet hatte, Paloma demnächst zu heiraten. Damals als Bobby zum ersten Mal auf der Insel war und er mit Hochdruck an seinem Haus gearbeitet hatte. Und er war ziemlich down gewesen, damals. Obwohl er innerlich mit etwas in der Art hätte rechnen müssen. Wieso hätte Paloma auch auf ihn warten sollen?
„Mierda! Diese verdammte Dunkelheit.“ Paco ließ sein Auto am Ende des Weges ausrollen und sprang dann heraus. Sie waren zur Cala des Mortes gefahren, wo sich unzählige Lichter, ganze Lichterketten, von der Hotelanlage im Wasser spiegelten. Aus benachbarten Kneipen und Discotheken kam Musik herüber, es klang fast wie der Lärm auf einem Rummelplatz.
Philipp folgte Paco, der bereits den ausgetretenen, schmalen Pfad zum Wasser hinunterstieg.
„Habt ihr die Polizei oder die Marinestation am Hafen verständigt?“
„Ja. Ernesto ist heute Abend zum Hafen gefahren.“ Paco schlüpfte unter einige zum Trocknen aufgespannte Fischernetze hindurch, die wie Relikte aus einer längst vergangenen Zeit wirkten. Jetzt im Sommer fuhren höchstens noch ein paar sehr alte Männer zum Fischen hinaus. Paco setzte die Handwinde in Bewegung, um sein Boot ins Wasser hinunter zu lassen. Philipp sah zu, wie es langsam über die verwitterten Holzbalken glitt, unter dem aus rohen Stämmen gezimmerten Schutzdach hervor und schließlich das Wasser erreichte, das schiefergrau und träge dalag. Nur eine kraftlose Dünung rollte ans Ufer.
Als das Boot im Wasser war, zog Philipp sich hinein. Paco folgte ihm, warf den Motor an und steuerte dann in einer weiten Kurve in Richtung Cap Berberia das offene Meer an. Dabei ließ er das Boot ziemlich Fahrt machen, auch als sie weiter draußen waren und die Lichter der Hotels zu einem einzigen Band verschmolzen.
Die Sicht auf dem Wasser war bereits jetzt ausgesprochen schlecht und Philipp war klar, dass die Dunkelheit in den nächsten beiden Stunden noch zunehmen würde. Der Himmel war eine fast geschlossene Wolkendecke, mit Mondlicht war also kaum zu rechnen.
„Wo sind die anderen?“, erkundigte er sich. „Du hast doch noch mehr Leute zusammen getrommelt.“
„Die versuchen es drüben in der Gegend der Cala Sahona, dort wo Salvador sein Boot liegen hat. Falls er es doch noch aus eigener Kraft schafft, taucht er dort wohl am ehesten auf.“
„Glaubst du, dass Salvador es noch aus eigener Kraft schafft? Nach all der Zeit? Nach einem Tag und einer Nacht?“
Paco zog die Schultern hoch. „Ich hoffe es.“
„Ich auch. Aber ich versteh das nicht. Wie kann so was überhaupt passieren? Salvador war praktisch sein halbes Leben lang auf dem Wasser.“
„Vielleicht ist er krank oder irgendwas ist mit seinem Motor, was weiß ich.“
Philipp musste daran denken, wie oft er irgendwelche Fischer an ihren uralten Motoren hatte herumbasteln sehen. „Ich glaub es einfach nicht“, sagte er. Aber das sagte er nur, um sich zu beruhigen.
Paco hängte sich die Jacke über, die er beim Besteigen des Bootes auf den Boden geworfen hatte. Auch Philipp spürte, wie ihm feuchte Luft den Rücken hinaufkroch.
„Ich auch nicht. Aber rechnen muss man mit allem, die See kann dein Freund sein, manchmal aber auch nicht.“
„Heute Nacht ist sie jedenfalls zahm. Schau dir die Wasseroberfläche an, spiegelglatt.“
„Ja, sicher. Das Problem ist, die Leute sagen, Salvador sei ein bisschen seltsam geworden in letzter Zeit. Ein bisschen wirr im Kopf, du verstehst, was ich meine.“
„Wenn ja, hätte er nicht mehr rausfahren dürfen. Auf keinen Fall.“
„Ach man weiß ja, wie alte Leute sind. Sie lassen sich ja doch nichts sagen.“
Philipp versuchte, so ruhig wie möglich zu bleiben. So wie Paco, der wie unbeteiligt dasaß, mit ruhiger Hand das Boot steuerte und mit den Augen das Wasser absuchte. Aber es fiel ihm
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