Paloma
ich“, sagte Philipp. Aber er dachte jetzt nicht an den nächsten Tag. Er dachte daran, was ihm heute Nacht noch bevorstand. Er dachte an Paloma. Und versuchte sich einzureden, die Paloma, die er vor ein paar Jahren gekannt hatte, gäbe es nicht mehr.
Das Tor in der Mauer, die Salvadors Hof umgab, stand weit offen und Philipp sah zwei weitere Autos vor dem Haus stehen. Aus der offenen Tür fiel das Licht einer Petroleumlampe. Als Philipp ausstieg, sah er jemand in die Tür treten und obwohl nur die Umrisse zu erkennen waren, wusste er, dass es Paloma war.
Er ging hinter Paco auf die Veranda zu und im Näherkommen erkannte er, dass es tatsächlich Paloma war und auch sie musste ihn erkannt haben. Aber das Licht reichte nicht aus, um irgendeine Reaktion zu erkennen.
„Irgendwas Neues?“, rief Paco ihr zu. Paloma schüttelte den Kopf. Er ging auf sie zu, während Philipp vor der Veranda stehen blieb. „Bei uns leider auch nicht. Wir mussten zurück, der Sprit wurde knapp“, hörte er Paco sagen.
„Trotzdem, danke für deine Hilfe“, antwortete Paloma, sie sah jetzt zu Philipp hinüber.
„Ach was. Bedank dich höchstens bei dem, der dir deinen Vater zurückbringt. Vielleicht noch heute Nacht, wer weiß. Es gab schon Leute, die noch länger draußen waren.“
„Ich weiß“, sagte Paloma. Sie sah Philipp noch immer an. Paco fiel das jetzt auf, er drehte sich zu ihm um. „Das ist Philipp, du erinnerst dich doch an ihn. Wir waren zusammen draußen.“
Paloma nickte. Philipp wusste nicht so recht, was er tun sollte, entschloss sich dann aber, auf Paloma zuzugehen und ihr die Hand zu geben.
„Das mit deinem Vater tut mir schrecklich leid“, sagte er und suchte in ihrem Gesicht nach Zeichen von Freude. Oder Ablehnung. Irgendwas eben. Aber das war im Moment wohl zu viel verlangt.
Einen Augenblick lang lag Palomas Hand kühl und bewegungslos in seiner. Dann war von drinnen im Haus eine Stimme zu hören. Paloma wandte sich ab und kehrte ins Haus zurück. Philipp schloss sich Paco an, als der ebenfalls hineinging.
In der Sala saßen vier Männer und blickten Paco fragend an. Philipp blieb in der Nähe der Tür, während Paco den Männern berichtete, wo sie gesucht hatten und die Männer berichteten von ihrer Suche. Dabei fiel Philipp auf, dass niemand Salvadors Namen nannte. Sie sagten „Er“ und „Ihn“ als ob es Unglück brächte, seinen Namen auszusprechen.
Einer der Männer, der jüngste unter ihnen, wurde von den anderen mit Ernesto angesprochen. Philipp vermutete, dass es sich um Palomas Mann handelte, jedenfalls gab es eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Wasserfahrer von damals. Wirklich sicher war sich Philipp nicht und fand es auch nicht wichtig im Moment. Stattdessen konzentrierte er sich ganz auf das Gespräch der Männer. Was nicht ganz einfach war für ihn, da sie ausschließlich im Inseldialekt sprachen.
Einer der Männer sagte: „Das bringt doch alles nichts. Entweder wir fahren morgen ein ganzes Stück weiter raus oder wir lassen es ganz.“
„Aber mein Vater fährt nie weit raus“, widersprach Paloma. Sie stand mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt da.
„Woher willst du das wissen?“
Paloma zuckte mit den Schultern.
„Ich hab ihn mal an der Roca Bella gesehen und das ist ganz schön weit draußen, weiter als die Fischer sonst fahren“, sagte einer der Männer.
„Wenn ihr mich fragt“, sagte Ernesto. „Ich denke, wir sollten morgen die Klippen absuchen.“
„Ja, gut“, meinte Paco. „Am besten, wir machen beides. Die Küste absuchen, aber auch ein Stück weiter rausfahren.“
„Dazu haben wir nicht genug Leute.“
„Ich weiß.“
Philipp beteiligte sich nicht an dem Gespräch. Aber im Stillen gab er Ernesto Recht. Es gab auf Magali reichlich vorgelagerte Felsen nahe der Küste. Ein abgetriebenes Boot konnte dort vielleicht tagelang liegen, ohne dass es entdeckt wurde.
„Und deshalb müssen wir mit Verstand vorgehen“, sagte Paco. Niemand antwortete. Einer der Männer kratzte sich am Kopf, ein anderer scharrte mit dem Fuß über dem Boden und schob die Zigarettenkippen zu seinen Füßen hin und her. Philipp sah die Männer an, kämpfte dann seine Bedenken nieder, dass sie es womöglich als Anmaßung empfanden, wenn er sich einmischte und sagte: „Es muss doch möglich sein, von irgendwoher einen Hubschrauber zu bekommen, der die ganze Gegend absucht.“
Paco breitete die Hände wie ein Prediger aus und ließ sie wieder fallen. „Als ob wir nicht schon
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