Paloma
daran.“
„Mussten Sie denn hier bleiben? Ich meine ...“
„Nein, musste ich nicht. Sie werden es nicht glauben, aber ich hätte sogar die Möglichkeit gehabt, in der Nähe von Barcelona zu arbeiten. Aber Sie sehen ja, ich bin immer noch hier.
„Gefällt es Ihnen jetzt besser bei uns?“
„Ja ... ja, ich glaube schon. Wahrscheinlich habe ich mich jetzt eingelebt. Man sagt, es dauert Jahre, ehe man sich irgendwo wirklich zuhause fühlt.“
Sie gingen so langsam als ob sie beide nichts zu tun hätten. Paloma dachte daran, dass es zum Glück nicht mehr sehr weit war bis zum Haus von Rosalia.
„Sie sind doch diejenige, die diese schönen Schafswollpullover strickt, die auf dem Platz vor dem Rathaus verkauft werden.“
„Ja. Woher wissen Sie das?“
„Woher? Mein Gott! Was gibt es denn hier, was der eine nicht vom anderen weiß.“
„Stimmt schon.“
„Ich finde Ihre Idee mit den Pullovern übrigens wirklich gut. Verglichen mit dem ganzen Schund, der in den Souvenirläden verkauft wird. Lackierte Muscheln aus der Karibik oder der ganze Kram aus Hongkong, Bastkörbe, Aschenbecher, Sie wissen schon. Fragt sich nur, was der ganze Ramsch mit Magali zu tun hat. Sie dagegen verarbeiten wenigstens noch ein Produkt von der Insel.“
„Leider stimmt das nicht so ganz. In Wirklichkeit muss ich schon längst Wolle von der Nachbarinsel dazukaufen.“
„Wirklich?“ Pedro Pujol machte ein enttäuschtes Gesicht. Was Paloma so komisch fand, dass sie lachen musste. „Haben Sie denn in letzter Zeit noch irgendwo größere Schafherden hier bei uns gesehen?“
„Na gut. Ich denke, den kleinen Betrug kann man gerade noch gelten lassen. –Mal was anderes. Haben Sie denn in der Zwischenzeit Deutsch gelernt? Bei meinen Deutschkursen waren Sie jedenfalls nie. Es geht mich natürlich nichts an, ich weiß ...“
„Nein“, sagte Paloma, „ich kann noch immer keine andere Sprache, leider. Wenn ich die Leute in San Lorenzo reden höre und kein Wort verstehe, dann komm ich mir so dumm vor. Aber jetzt bin ich wohl zu alt, um noch Sprachen zu lernen.“
„Zu alt? Wer sagt denn das? Man ist nie zu alt, um etwas zu lernen. Und was heißt bei Ihnen schon alt? Sie sind doch höchstens Anfang zwanzig.“
„Einundzwanzig.“
„Und da reden Sie von zu alt? Übrigens, im Herbst beginnen neue Kurse. Auch ein Anfängerkurs in Deutsch. Zwei Stunden die Woche. Wenn Sie Lust und Zeit haben, schauen Sie doch mal rein.“
Paloma sagte schulterzuckend: „Mal sehen.“
In Wahrheit hatte Paloma Besseres vor. Sie dachte an ihr Kind und dass sie bald andere Dinge zu tun haben würde als auf einer Schulbank zu hocken. Als ihr dann aber bewusst wurde, dass es ja Philipps Sprache war, um die es hier ging, änderte sich ihre Einstellung. Sie stellte sich vor, wie sie ihrem Kind später einmal das eine oder andere Wort von der Sprache seines Vaters beibrachte, vorausgesetzt, sie hatte bis dahin selber ein wenig Deutsch gelernt.
„Wann genau fängt denn der nächste Deutschkurs an?“, erkundigte sie sich.
„Das steht noch nicht so genau fest. Aber wenn es Sie interessiert, komme ich bei Ihnen vorbei und sage Ihnen Bescheid.“
„Nein, das müssen Sie nicht. Vielen Dank. Ich kann genauso gut bei Ihnen in der Schule vorbeikommen ...“
„Machen Sie sich keine Gedanken. Ich bin so oder so viel unterwegs. Ich laufe ganz gern. Es gibt ja nicht gerade viel, was ich sonst tun könnte.“
„Früher bin ich immer am Sonntag auch viel gelaufen, aber jetzt ...“
„Wahrscheinlich fehlt Ihnen jetzt die Zeit dazu. Schade.“
„Ja, es gibt immer eine Menge zu tun.“
Sie hatten jetzt eine Weggabelung erreicht und blieben stehen. Pedro Pujol musste in westlicher Richtung weiter.
„Sobald ich den Termin für den nächsten Sprachkurs festgelegt habe, melde ich mich.“
Paloma nickte. Sie brachte die Pedale in die richtige Position und stieg dann auf ihr Rad und fuhr los. Etwas wackelig, da sie spürte, dass El Profesor ihr nachblickte.
Der Vorfall beschäftigte Paloma noch tagelang. Nicht das zufällige Zusammentreffen mit dem Lehrer sondern ihr plötzlicher Schwindelanfall. Und da ihre ständige Müdigkeit auch weiterhin anhielt, beschloss sie, zu Catalina Ferrer zu gehen. Catalina war die Hebamme, die einzige auf der Insel im Moment. Früher hatte sie zusammen mit ihrer Mutter den Beruf ausgeübt, aber mittlerweile war diese weit über achtzig und lebte in ihrer eigenen Welt.
Der Gedanke, jemand von ihrer Schwangerschaft zu
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