Paloma
gesagt? Und ich Idiotin sag noch zu Ernesto, die Paloma wird immer dicker, aber damit ... damit, um Himmelswillen, hätte ich niemals gerechnet.“
„Mach doch kein Drama draus, Ana.“
„Nein. Mach ich nicht.“
„Doch, das seh ich dir an.“
„Na gut. Sag schon, wer ist der Vater von deinem Kind? Doch nicht dein Philipp.“
Paloma zuckte mit den Schultern. Aber was hatte sie anderes erwartet? Etwa dass Ana sich mit ihr freuen würde?
„Also doch. Und genau das ist das Schlimmste, was dir passieren konnte. Dein Philipp wird dich niemals heiraten.“
„Lass mich bitte trotzdem glücklich sein über mein Kind.“
Ana dachte einen Augenblick nach, dann sagte sie bekümmert: „Dich macht es glücklich und mich macht es traurig.“
Paloma schwieg. Was hätte sie darauf auch sagen sollen?
„Du bist meine beste Freundin und deshalb hätte ich mir etwas anderes für dich gewünscht. Einen Mann, der mit dir zusammen euer Kind groß zieht. Glaubst du denn, das ist so einfach, ganz allein ein Kind aufzuziehen ... und auch noch schauen müssen, wo das Geld für euch herkommt?“
Paloma gab sich einen Ruck und schob dann ihren schweren Leib in die Höhe und nahm Ana in den Arm. „Mach dir keine Sorgen. Das schaff ich, ich schaffe es ganz bestimmt. Schau, ich bin so glücklich über ein Kind von Philipp und deshalb schaffe ich es auch.“
Ana strich ihr zaghaft über die Schulter. „Ja, du schaffst es. Du musst es ja auch schaffen. Und wenn du Hilfe brauchst, du weißt ja, wo du mich findest.“
„Danke, Ana.“
Paloma sah in Anas feuchte Augen.
„Hör bloß auf zu weinen, sonst wein ich gleich mit“, sagte sie betont fröhlich und ging dann mit Ana nach nebenan, wo sie in einem Korb eine kleine Erstausstattung für ihr Kind aufbewahrte. Mit einiger Rührung sahen sich die beiden Frauen die kleinen Jäckchen und Hemdchen an.
„Du dummes Ding“, sagte Ana. „Das hättest du alles von mir haben können. Ich hab doch noch so viel von meinen beiden.“
„Sei nicht böse, Ana.“
„Schon gut. Ich weiß ja wie das ist beim ersten Kind, alles muss ganz besonders fein sein.“
Nicht lange danach sprach auch die alte Antonia Paloma auf ihre Schwangerschaft an, die nahm es jedoch pragmatischer auf als Ana. Alles, was sie dazu sagte, war, dass es sich anscheinend nicht hatte verhindern lassen. Im Stillen gab Paloma ihr Recht. Nein, es hatte sich wirklich nicht verhindern lassen. Sie bedauerte höchstens, dass es nicht schon früher geschehen war. Dass ihr Vater es nicht mehr miterlebt hatte. Möglich, dass dann manches anders gekommen wäre. Der Gedanke setzte Paloma ziemlich zu, aber auch die bittere Tatsache, ihr Vater würde für ihr Kind auf ewig dieser Jüngling mit dem altmodischem Haarschnitt und der Uniform sein, wie ihn das einzige Foto zeigte, das von ihm existierte. Auch von ihrer Mutter gab es ein Foto. Als junges Mädchen oder schon junge Frau, aber es war eine unscharfe Aufnahme, ihr Gesicht war nur ein kleiner heller Fleck vor dunklem Hintergrund. Seltsamerweise hatte Paloma nirgends ein Hochzeitsbild der beiden finden können. Sie bezweifelte aber nicht, dass ihre Eltern verheiratet waren. Und eben so wenig, dass ihre Mutter vermutlich nicht sehr glücklich über ihre Schwangerschaft gewesen wäre.
Ihrem Vater traute Paloma jedoch zu, dass er sich auch über ein uneheliches Enkelkind gefreut hätte. Ohnehin hatte sie das Gefühl, ihm näher gestanden zu haben. Er fehlte ihr immer noch sehr. Und noch immer verging fast kein Tag, an dem sie nicht an ihn dachte. Sie hatte es noch nicht einmal über sich gebracht, irgendetwas von seinen persönlichen Dingen wegzuräumen. Sein Rasierzeug, sein Weinglas, seine Zigaretten. Alles lag noch so da, als ob er es bald wieder in die Hand nehmen würde. Und auch wenn er in seinen letzten Monaten abends häufig unten im Ort gewesen war, fühlte sie sich doch sehr einsam ohne ihn. Ana schaute zwar regelmäßig herein und auch einige der Frauen, die für Paloma strickten. Aber selbst alle gemeinsam waren kaum ein Ersatz für den Vater.
Und noch jemand kam neuerdings ziemlich häufig auf den Hof. Pedro Pujol, el Profesor. Ende der Saison war er eines Sonntags aufgetaucht, um Paloma den Beginn des nächsten Deutschkurses mitzuteilen. Mit Sicherheit war ihm ihre Schwangerschaft nicht entgangen, aber er verlor kein Wort darüber. Am Sonntag darauf kam er wieder und diesmal brachte er ein Buch in deutscher Sprache mit und improvisierte nun jeden Sonntag
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