Pampelmusenduft (St. Elwine) (German Edition)
Er ging jede Wette ein, dass sie in einem gut situierten Elternhaus aufgewachsen war und ihre Schulzeit in einem teuren Mädcheninternat ve r bracht hatte. Allein die Art, wie sie sich auszudrücken pflegte, verriet es ihm.
Plötzlich wurde seine Aufmerksamkeit von etwas anderem abgelenkt. Er nahm eine kurze, flinke Bewegung hinter seinem Pick up wahr. Ohne Zweifel war hier noch jemand und dieser jemand machte sich gerade an Charlotte Svensons Wagen zu schaffen. Sein Herz begann zu hämmern. Wer war so dreist, während sie beide hier standen und miteinander redeten, etwas aus dem Auto zu stehlen?
Tyler setzte sich mit fließenden Bewegungen in Gang, ohne dabei überstürzt zu wirken. Um Charlotte vorzuwarnen, legte er sich rasch den Zeigefinger auf die Lippen. Er hoffte inständig, dass diese Geste ausreichte und sie still blieb.
Was war denn in O´Brian gefahren? Stirnrunzelnd betrachtete sie ihn. Spinnt der jetzt total, überlegte sie. Was ging hier überhaupt vor? Ihr stockte der Atem.
Tyler hatte den Wagen erreicht und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Da saß ein Junge und fingerte an Charlottes Rucksack herum. Er zog bereits die Geldbörse hervor.
„Das würde ich schön bleiben lassen.“
Der Junge erstarrte und rührte sich nicht von der Stelle.
„Wie heißt du Freundchen und mach keine Zicken!“
Ein trotziges und vor Schmutz starrendes Gesicht wandte sich Tyler zu. Der Bengel sagte allerdings nichts.
„Los, steig aus!“, forderte er ihn barsch auf.
Keine Reaktion.
„Na schön.“ Er packte ihn am Kragen und zog ihn aus dem Wagen.
Der Junge war erschreckend leicht, Arme und Beine spindeldürr. Seine Hand umklammerte noch immer Charlottes Geldbörse.
Sie stand jetzt direkt neben ihnen und begriff die Situation. Der Bursche hatte tatsächlich versucht sie zu bestehlen. Wie unverfroren konnte ein Mensch nur sein.
„Am besten wir rufen den Sheriff“, warf sie aufgebracht ein.
Jetzt endlich flackerte es in den grauen Augen des Jungen auf.
„Nein!“ Er ließ die Geldbörse fallen. „Ich habe nichts genommen.“ Er fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. „Der ... der Rucksack da ...“ Der Junge wies mit dem Finger auf den Fahrersitz. „Der sieht genauso aus wie der, den man mir letzte Woche geklaut hat. Wollte nur nachsehen, ob es meiner ist.“
„Sicher, für wie blöd hältst du mich?“ Angesichts seiner Verschlagenheit spürte Charlotte, dass sie allmählich wütend wurde.
Tyler schnappte sich kurzerhand den Rucksack. „Das können wir leicht überprüfen. Was hattest du in deinem Rucksack drin?“
Bevor Charlotte es verhindern konnte, schüttete er den Inhalt bereits auf die Motorhaube ihres Wagens.
„Lass mal sehen: Führerschein, Brieftasche, Lippenstift. Schwer vorstellbar, wozu du den wohl brauchst, mein Junge. Was haben wir hier noch?“ Fuhr Tyler geschäftsmäßig fort. „Eine Packung Taschentücher, Kaugummi für frischen Atem, den könntest du tatsächlich gebrauchen. Kugelschreiber, Noti z heft, Handy, ein Taschenspiegel und Tampons.“
Ungerührt wandte sich Tyler wieder dem Jungen zu, während Charlotte spürte, wie sie errötete. Sie grabschte nach ihren Utensilien und schob alles wieder in den Rucksack zurück. Ihre Wut richtete sich jetzt nicht mehr nur gegen den Jungen.
„Also“, begann Tyler erneut sein Verhör. „Du bist sicher zum gleichen E r gebnis gekommen. Das Ding gehört dir nicht, stimmt´s?“
Der Junge nickte, schob allerdings trotzig sein Kinn vor.
„Wie heißt du?“
Stille. Dann nach langem Zögern sagte er heiser: „Eliah Wood.“
Tyler prustete leise. „Na sicher, vielleicht in der Rolle des kleinen Ho b bit. Wie ist dein richtiger Name?“
Der Bursche stierte auf den Boden, als wäre er auf der Suche nach einer se l tenen Ameisenart.
Wie konnte O´Brian da nur so ruhig bleiben, fragte sich Charlotte aufgebracht. Sie hatte nicht übel Lust den Bengel kräftig durchzuschütteln und Tyler am besten gleich mit. Wie hatte der es wagen können in ihren S a chen rumzuwühlen?
„Deinen Namen!“ Zumindest hörte man O´Brians Stimme endlich einen Hauch von Ungeduld an.
Tyler legte seine Hand auf die Schulter des Kindes. Ganz plötzlich erwachte der Junge zum Leben. „Fassen Sie mich nicht an! Ich kenne meine Rechte. Fassen Sie mich ja nicht an!“ Nacktes Entsetzen stand ihm ins Gesicht g e schrieben.
Tyler riss sofort seine Hand weg und starrte in das schmutzige Kindergesicht, über dessen Wangen jetzt feuchte
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