Pan Tau
erfunden.«
»Nein. Ebensowenig das Märchen. Erfunden ist nur der Anfang. Also, es war einmal. Es war einmal Nikolaustag, und als Pan Tau in seiner kleinen Rakete über den Nikolaus-Städten umherflog, dachte er: Ein schöner Tag! Niemand ist traurig. Aber kaum hatte er das gedacht, hörte er tief unten ein so trauriges Schluchzen, daß er schnell mit seiner Rakete hinunterflog. Jemand jammerte: Ach, ist das ein Pech, einen Schlitten zu haben und keinen Schnee!«
»Aber das hat doch das Mädchen mit dem Schlitten gesagt!«
»Wer sonst?«
»Sie sagten, es wäre ein Märchen.«
»Bis jetzt war es eines. Und hier endet es.«
»Und weiter?«
»Nichts weiter. Alles andere wissen wir bereits. Die Rakete landet. Der kleine Pan Tau verwandelt sich in einen großen Pan Tau. Er steckt die Rakete in die Tasche und begibt sich auf die Suche nach dem Mädchen mit dem Schlitten.«
»Hat er sie gefunden?«
»Das war es eben, was ich nicht wußte. Auch ich mußte sie suchen. Am ersten Tag in Wien, als Sie auf der Modenschau im Messepalast waren, ging ich systematisch alle Straßen in der Nähe der Oper ab.« »Und?«
»Nichts. Fast jedes Mädchen in Wien hat einen Schlitten. Nach solch einem Mädchen zu fragen und dann jedem Hinweis nachzugehen, ich kann Ihnen sagen...«
»Ich hätte Ihnen helfen können. Aber Sie wollten mich ja nicht mitnehmen.«
»Ihr Glück, Vivian, glauben Sie mir. Das schlimmste unter der Sonne ist, im Sommer ein Mädchen mit Schlitten zu suchen. Das ist genauso, als ob man eine Stecknadel im Heuhaufen suchen müßte. Bis ich im Schaufenster eines Kaufhauses die Aufschrift entdeckte: Was Sie nicht in den Auslagen sehen, haben wir im Hause.« Vivian lächelte spöttisch, als sie fragte:
»Sie gingen also hinein und erkundigten sich nach einem kleinen Mädchen mit Schlitten und...«
»Nein. Mir fiel nämlich ein, es wäre einfacher, wenn das Mädchen mit Schlitten mich fände, statt daß ich es suchte.«
»Wie hätte das Mädchen Sie finden sollen?«
»Das war gar nicht so schwierig. Die Aufschrift im Schaufenster hatte nicht gelogen. In diesem Kaufhaus gab es alles. Vielleicht sogar eine Lokomotive. Aber ich war nicht in allen Etagen. Nur die Konfektionsabteilung interessierte mich. Ich suchte mir ein altmodisches schwarzes Jackett aus, einen Regenschirm und eine Melone und...«
»Ich verstehe schon«, sagte Vivian. »Wie wenn Maigret sich als alte Frau verkleidet. Schade, daß ich Ihnen nicht begegnet bin, Anderson.«
Gerade das wollte ich vermeiden, als ich mich mit Regenschirm und Melone als falscher Pan Tau im Spiegel sah. Bloß jetzt nicht Vivian begegnen!
Doch dann...
Anhang zu Kapitel 16 Dokument Nr. 1
Niederschrift nach dem Magnetophonband Nr. 1, Spur 1,2. Straße 8, 2 E (siehe Stadtplan Wien).
Fremder Junge (später Emil): Da schau!
Mädchen (später Eva): Pan Tau!
Jungenstimmen (nicht zu unterscheiden, ob Franz oder Georg, Autohupen und Straßengeräusche): Er hat eine Melone!
Emil: Das ist nicht Pan Tau! Schau doch richtig hin! Wenn der da Pan Tau ist, bin ich ein Kugellager.
Stimme (Anderson): Kennst du ihn?
Emil: Wen?
Anderson: Pan Tau!
Flüstern (Franz zu Emil): Lauf nicht weg! Vielleicht weiß er, wo er ist. Er hat ja auch so eine Melone auf!
Anderson: Und wenn ich es wüßte?
Eva: Wir suchen ihn.
Georg: Seit er verschwunden ist.
Emil: Wo ist er?
Anderson: Wo er jetzt ist, weiß ich nicht. Vorgestern war er in Rom. Eva: Ich hab ihn zuerst gesehen, diesen Pan Tau. Im Winter. Anderson: Das weiß ich schon. Es war kein Schnee. Du hast einen Schlitten mit einem Glöckchen...
Eva: Dann ist er zu uns gekommen, hat seine Melone vom Kopf genommen, und aus dieser Melone hat er Schnee geschüttet. Anderson: Bis man auf dem Schnee rodeln konnte.
Emil: Stimmt nicht. Denn...
Georg: Soll ich’s ihm erzählen? Von dem Tunnel?
Eva: Ich sag’s. Denn es war mein Schlitten. Und Pan Tau machte Schnee, immer mehr Schnee. Einen ganzen Schneeberg machte er. In den Berg machte er einen Tunnel, und wer durch diesen Tunnel kroch, war plötzlich im Gebirge.
Anderson: Auch du?
Eva: Ich auch. Wir alle. Und noch viele Kinder aus Wien. Im Gebirge war es wunderschön. Denn überall lag Schnee. Und die Sonne schien.
Georg: Dann hat Pan Tau kurz auf seine Melone getrommelt, und auf einmal waren Schlitten da. Viele Schlitten, für alle Kinder. Und Skier. Auch Alik, der Hund, der Emil die Handschuhe geklaut hat. Emil: Hör mit dem Hund auf!
Anderson: Woher weißt du, daß
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