Pan Tau
immer aus, Anderson... Der in der Rakete war er auch... mal ist er groß, mal klein.«
»Noch etwas?«
»Nichts mehr.«
»Doch noch etwas. Warum fliegen Sie nach Wien, Vivian?«
»Weil Sie mich eingeladen haben. Weil Sie das grüne Kaninchen gemalt haben...«
»Nein. Dieses Kaninchen hat er gemalt. Für uns beide. Er kennt uns. Er wußte, was wir tun würden. Wann haben Sie das Buch Alice im Wunderland gekauft?«
»Gleich, nachdem ich die Botschaft entziffert hatte.«
»Eins zu null für Sie! Ich gab ihm eins, mir gab man zwei. Ich wäre nie auf Alice gekommen. Zwei zu null für Pan Tau. Er wußte, ein grünes Kaninchen genügt, und Sie sterben vor Neugierde.«
Vivian nahm das krumm. »Ich bin überhaupt nicht neugierig...« »Und ob! Ich aber auch. Und er auch. Vielleicht ist er noch neugieriger als wir beide zusammen. Er wartet nur darauf, was wir tun werden.«
»Was werden wir tun?«
»Sie, Vivian, gar nichts. Und ich schicke Quincy ein Telegramm.« Ich kritzelte auf einen Zettel:
Nachricht für Quincy: Weitere wichtige Spur Wien. Rätsel fliegendes Karussell gelöst. Zeugen sagen für Pan Tau aus.
Die letzten drei Wörter strich ich durch und schrieb:
Herrn mit Melone aus.
Ich wollte nicht mehr preisgeben als nötig. Zumindest noch nicht jetzt.
Unter uns waren die Lichter von Wien zu sehen. Wir flogen bereits tief. Als wir landeten, fragte Vivian:
»Was für eine wichtige Spur ist das?«
»Versprechen Sie mir, daß Sie von nun an keine Fragen mehr stellen werden!«
»Ich verspreche es«, sagte sie.
Aber sie fragte weiter.
»Warum leihen Sie sich ein Auto, wenn wir ein Taxi nehmen könnten? Und warum gerade ein weißes MG-Sport-Kabriolett?« fragte sie, als ich in der Garage an einem roten MG-Sport-Kabriolett vorüberging und zum Angestellten sagte:
»Ein weißer MG. Und voll auftanken!«
Auch das ließ ihr keine Ruhe.
»Voll auftanken? Fahren wir denn so weit weg?«
Wir fuhren gar nicht weit. Ich hielt beim ersten Postamt und gab das Telegramm auf. Es wurde Abend. In den Straßen Wiens leuchteten die Neonlampen.
»Jetzt können Sie Fragen stellen«, sagte ich zu Vivian, als ich endlich eine freie Stelle auf dem überfüllten Parkplatz an der Oper gefunden hatte, wo einst, nach Collins Worten, Pan Tau mit der Rakete gelandet sein sollte. »Machen Sie ein freundliches Gesicht, damit wir soviel wie möglich erfahren.«
»Von dem Parkplatzwächter?«
Wir hatten Glück.
»Ich sah die Rakete so wie jetzt Sie und die Dame«, sprach der Parkplatzwächter und füllte den Parkschein aus. »Sie war ganz klein. Die Rakete landete dort am Gehsteig, und ein kleines Männchen mit Melone stieg aus. Im nächsten Moment verwandelte es sich in einen großen Herrn mit Melone. Die Autos ringsum blendeten ihre Scheinwerfer auf, der Herr mit Melone bückte sich, steckte die Rakete in die Tasche und ging langsam in Richtung Oper davon. An mehr kann ich mich nicht erinnern. Übrigens berichteten darüber alle Wiener Zeitungen. Der merkwürdige Traum des Parkplatzwächters Müller. Aber das ist schon Schnee vom vorigen Jahr...« »Heißt das, daß damals Schnee lag?« fragte Vivian.
Eigentlich eine dumme Frage, doch der Alte taute sofort auf: »Nein. Eben nicht. Am Nikolaustag sollte es schneien, aber voriges Jahr war keine einzige Flocke gefallen. Ich erinnere mich genau. Kurz bevor die Rakete landete, ging ein kleines verheultes Mädchen vorbei, die zog über den Gehsteig einen Schlitten mit einem Glöckchen hinter sich her. Sie sagte zu mir: Wissen Sie, was das größte Pech unter der Sonne ist? Einen Schlitten haben und keinen Schnee!« Ich machte einen Satz. Vom Parkplatz fuhr ein niedriges Sport-Kabriolett ab. Es hatte aufgeblendete Scheinwerfer. Für einen Augenblick sah ich im Dunkeln das Gesicht des Mannes hinter dem Steuer. Ich hätte schwören können, daß es Fleming war, das zweite Mitglied der Besatzung von Apollo 37.
Im sechzehnten Kapitel müssen wir vom Sommer in den vergangenen Winter zurückkehren. Es war einmal. Wie man eine Stecknadel im Heuhaufen sucht.
Wir saßen in einem Gartenrestaurant in Grinzing und tranken Heurigen. Es war ein lauer Abend. Über uns funkelten die Sterne. Der richtige Augenblick für Märchen.
Ich sagte zu Vivian:
»Schließen Sie die Augen! Ich erzähle Ihnen nun ein Märchen von einem Mädchen mit Schlitten und von Pan Tau. Der Schlitten hat einen Riemen und ein Glöckchen, und das Mädchen heißt Eva und...«
»Der Name ist natürlich
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