Pan Tau
vor Pan Taus Füße gerollt war. Ein trauriges, riesengroßes Ach war das. Wenn wir es aufschreiben wollten, müßten wir es mit den allergrößten Buchstaben tun. Etwa so:
Aaaaaauuuuaaaach, sagte die Schneekugel zum zweitenmal. Sie nieste noch und bellte. Und wie sie so nieste und bellte, kam aus dieser Schneekugel eine Hundeschnauze zum Vorschein. Dann fiel die Kugel vollends auseinander, und vor Pan Tau tauchte der traurigste und schmutzigste Hund von Mitteleuropa, wenn nicht der ganzen Welt auf. Es war Alik, der oben in den Bergen mit Emil gespielt hatte und deshalb so traurig blickte, weil er wieder allein war.
Nur den Handschuh hatte er, den Emil verloren hatte.
Und Hunger.
Außerdem fror es ihn an den Pfoten.
Aaaaaauuuuaaaach!
Ach, ist das eine Bescherung, dachte Pan Tau, denn er mochte es nicht, wenn jemand ach sagte, und jetzt hatte er diesen Hund am Hals, der sogar aaaauuuaaaach sagte, und dazu noch Emils Handschuh, bestickt mit Norwegermuster.
Was nun?
Was tun mit dem Handschuh?
Und mit dem Hund?
Pan Tau hob sorgenvoll den Handschuh auf, der im Augenblick zu nichts nütze war, weil er sich nicht in Gesellschaft des zweiten Handschuhs und des Jungen Emils befand, und dachte eine Weile nach. Zuerst fiel ihm ein, daß er sich in den kleinen Pan Tau verwandeln und mit der Rakete so lange an den Fenstern der Wiener Häuser vorbeifliegen könnte, bis er Emil gefunden hätte. Doch unglücklicherweise dämmerte es bereits, und Pan Tau flog ungern im Dunkeln an Fenstern vorbei. Wie leicht hätte er mit der Rakete gegen ein Fenstersims oder einen Blumentopf stoßen können — und was dann? Außerdem war noch, um das Maß des Pechs vollzumachen, der Hund da. Alik war zwar recht klein, aber nicht klein genug. In der Rakete hätte er nicht Platz gehabt.
Was tun mit ihm?
Alik schnupperte an Emils Handschuh und entdeckte Emils Geruch.
Er spürte noch die kleine Bubenhand, die ihn eben am Rücken gekrault hatte, wie um zu sagen: Wir beide verstehen uns! Schade, daß wir nicht immer zusammen sein können. Mein Vater mag Hunde nicht. Wenn ich dich mit nach Hause brächte, würde er mich und dich hinaus werfen.
Es war das Schönste, was Alik in seinem Hundeleben bisher erfahren hatte. Noch einmal schnupperte er an diesem Handschuh, und vorsichtig setzte er die Schnauze auf die Fußstapfen der Kinder, bewegte sich nach links und nach rechts und nach vorn und nach hinten und bellte dann siegesbewußt auf. Er hatte Emils Spur gefunden. Dann zog er noch an Pan Taus Hosenbein. Stolz blickte er drein, wie ein Hund, der es fertigbringt, alle Kinder der Welt auszuschnüffeln.
Pan Tau atmete auf. Mit der Rakete loszufliegen, war nicht mehr nötig. Er brauchte nur dem Hund zu folgen. Bestimmt würde er Emil finden.
Sie gingen lange durch die abenddunkle Stadt, denn Emil wohnte weit weg. Die Stadt war groß. In den hellen Schaufenstern lagen Nikolausstrümpfe, Bonbons, Puppen, Eisenbahnen zum Aufziehen und elektrische Eisenbahnen und Lebkuchen und...
»Ach! Ist der aber hübsch!« rief ein kleiner Junge mit Pelzkappe und wandte seine Nasenspitze vom Schaufenster mit Spielsachen ab, denn er sah, daß eben der schmutzigste Hund Mitteleuropas, wenn nicht der ganzen Welt, am Gehsteig vorüberging.
»Mutti, kauf ihn mir!«
Und ein kleines Mädchen im Pelzmantel sagte zu seinem Vater: »So einen Hund möchte ich haben. Statt einer Puppe!«
Pan Tau sprach nichts. Er schaute nur. Und lauschte, wer da was sagte. Die Nikolaus-Schaufenster leuchteten in der Dämmerung. Hinter ihren Glasscheiben lag hunderterlei Spielzeug, auch schöne Plüschhunde mit Korallenaugen waren da, aber die Kinder sahen sie nicht. Sie sahen nur den kleinen lebendigen, schnüffelnden Hund mit dem Handschuh in der Schnauze.
»Wir können jeder eine Hälfte von ihm haben«, schlugen zwei Zwillinge ihrer Oma vor. Die beiden unterschieden sich nur dadurch voneinander, daß der eine Zwilling einen Kaugummi im Mund hatte und der andere nicht. »Ach, Oma...«
»Wir wollen schrecklich brav sein...«
»Immer unsere Spielsachen aufräumen...«
»Und die Zähne putzen...«
»Und die Schuhe auch...«
»Und...«
Aber Alik war bereits weg. Er wußte von all dem nichts. Er hatte keine Zeit. Er mußte schnüffeln. In dieser Straße voller Kinder die Spur zu halten, wurde immer schwieriger. In den Geruch des Handschuhs mischten sich der Geruch eines Kaufhauses, der eines Zeitungskiosks und der Geruch von reifem Obst, von Bananen und Orangen, und der süße
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