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Pan Tau

Pan Tau

Titel: Pan Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ota Hofman
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Gläsern ertönte, als Pan Tau leicht auf die Melone trommelte und dann mit den Fingern am Hutrand einmal nach links und einmal nach rechts fuhr. Ein Rauschen wie von Flügeln war in der Luft, über den Köpfen der Kinder, als der Komtur und die Gräfin di Trevi, mit zusammengerafftem Rock, und die Minister und Ratsmitglieder und Generäle, die sich an ihren Degen festhielten, vom Lastwagen stiegen. Das Rauschen kam näher, und dann sah ich diesen Schwarm heller Punkte in der Luft. Ich dachte, es wären Schwäne. Sie durchstießen die Wolken und sanken immer tiefer. Dieses Herabsinken hörte sich an wie das Wispern von Brauselimonade oder das Rascheln von Seidenpapier, das der Wind davonträgt.
    »Das hat es schon mal gegeben«, sagte der Junge mit der Matrosenmütze, der Pan Tau und seine Zauber kannte. »Wieder die Schwäne mit des Karu—«
    Das — ssell verschluckte er.
    Es waren nicht Schwäne.
    Es waren Papierdrachen.
    In allen Farben.

    Sie schwebten von den Wolken herab, große bunte Scheiben. Sie ließen sich nieder auf den Händen der Kinder, der Minister und der... »Das ist ja mein Drache, der mir einmal davongeflogen ist«, rief überrascht die Gräfin di Trevi. »Im Jahre neunzehnhunderteins. Ich bekam ihn damals zum neunten Geburtstag. Sehen Sie doch, er hat zwei Quasten aus Brüsseler Spitze!«
    Es war ein recht alter Drache. Aus Seide. Die Seide war in den langen Jahren vergilbt. Auch die Brüsseler Spitze. Doch als die Gräfin den Drachen fliegen ließ, klappte es wieder ausgezeichnet.
    »Gehen Sie mir aus dem Weg!« schrie sie den General an, der neben ihr herlief. »Sie verfitzen mir die Leine!«
    »Nach Ihnen, Gräfin», sagte der Komtur im Frack und ließ ihr den Vortritt. Er quälte sich mit einem plumpen Drachen, der wie ein chinesischer Lampion aussah. »Damals, als mein Vater von einer Reise durch den Fernen Osten zurückkehrte...«
    Ich sagte zu Vivian:
    »Haben auch Sie Ihren Drachen wiedergefunden?«
    »Nein. Ich hatte nie einen. Der hier ist mein erster.«
    Der Drache war strohgelb wie ihr Kostüm. »Ich hatte früher immer nur Puppen.«
    Das Gelände hatte sich verwandelt. Es erblühte in allen Farben. Mitten durch die Baustelle rannte der Bürgermeister. Die Kinder umringten ihn.
    Er zankte sich mit den Jungen:
    »Mein Drache fliegt höher!«
    »Stimmt nicht, meiner!«
    Tatsächlich, am höchsten flog der Drache eines kleinen Mädchens, das ein Kaninchen bei sich hatte. Sie stand verwundert da und schaute blinzelnd in die Höhe. Es war ein runder Drache. Es sah aus, als ob sie die Sonne an ihrer Leine festhielte.
    Der einzige, der nicht mitspielte, war der Dicke, der die Schärpe, die er über der Brust getragen hatte, längst verloren hatte. Er trabte hinter dem Bürgermeister, den Generälen und den Drachen her, hielt zwei rote Mappen aus Saffianleder unter dem Arm und versuchte mit vorwurfsvoller Miene zu erinnern:
    »Exzellenzen... Punkt zwei des Programms...«
    Der Bürgermeister und die Generäle und die Minister waren in diesem Moment wie kleine Jungen, die von der Mutter zum Abendessen gerufen werden.
    »Schon?«
    »Gerade jetzt?«
    »Noch fünf Minuten...«
    Vielleicht war es nur ein Lichtreflex, aber ich könnte schwören, daß da ein Lächeln über Pan Taus Gesicht huschte.
    Die schwarzen Limousinen fuhren vor.
    »Wohin eilen Sie denn fortwährend?« sagte enttäuscht die Gräfin zum Dicken ohne Schärpe. »Ich lebe fast schon hundert Jahre, und fünfzig Jahre begrüße ich Gäste, aber der hier ist der erste Gast, der mich nicht langweilt. Alles haben Sie verdorben!«
    Wehmütig ließ sie den Seidenfaden los, damit ihr Drache mit Quasten aus Brüsseler Spitze dorthin zurückfliegen konnte, woher er gekommen war. Dann stieg sie hinter Pan Tau ins Auto.
    »So ein Spaß«, sprach Vivian, als sie sich zu mir ins vierte Auto gequetscht hatte, samt ihrem Drachen, den sie auf dem Schoß hielt. »Wissen Sie, wohin wir jetzt fahren?«
    »Nein.«
    »In eine Panzerfabrik.«
    »Ist das zum Lachen?«
    »Ich lache nicht.«
    Aber sie lachte.

Das dreizehnte Kapitel werdet ihr nicht lesen, zumindest nicht ganz. Denn xxx

    Das schwere Tor öffnete sich. Die Autos fuhren in den Hof. Überall waren Aufschriften:
    Vergiß, was du gesehen hast!
    Schweige!
    »Das bringe ich nicht fertig«, sagte die Gräfin di Trevi. »Vergessen kann ich, schweigen nicht.«
    »Sie werden es müssen, Gräfin«, sagten die Generäle. Wie ein Mann sagten sie es.
    In die Fabrik kam Leben. Es hatte beinahe den

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