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Pan Tau

Pan Tau

Titel: Pan Tau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ota Hofman
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fiel mir ein: Lernt erst die Uhr lesen!
    Der verbrecherische Karussellbesitzer Ventura hatte das den kleinen Kindern zugerufen. Gab es einen Zusammenhang mit dem grünen Kaninchen? Wenn ja, welchen?
    Ich dachte den ganzen Weg zum Flughafen darüber nach, dabei ging mir nicht dieser merkwürdige Reim aus dem Kopf:
    Ich gab ihm eins, ihm gab man zwei,
    du gabst uns wohl drei Stück,
    was mein war, kam — wie dem auch sei —
    von ihm zu dir zurück.
    Was gab ich ihm, und was gab er uns? Wer gab uns wovon drei Stück? Und was mein war, wieso ging es wieder zurück? An wen? Woher kannte ich diesen Reim? Und warum kamen mir diese Worte, die auf den ersten Blick keinen Sinn hatten, jetzt in den Kopf? Tausend Warums. Ich stieg in die Maschine und dachte an das grüne Kaninchen. Während ich so an das grüne Kaninchen dachte, sah ich auf dem Schoß des Mädchens, neben das ich mich gesetzt hatte (Platz Nummer neun), ein Buch. Dieses Buch war auf Seite fünf aufgeschlagen, wo das erste Kapitel begann. Es wäre nichts Besonderes gewesen, wenn nicht das Kapitel Hinunter ins Kaninchenloch geheißen hätte. Und wenn nicht das Mädchen neben mir Vivian gewesen wäre. Und wenn sie nicht die Seite fünf umgeblättert hätte und dann auf Seite sieben zu lesen gewesen wäre:
    Das war eigentlich noch kein aufregendes Ereignis. Auch daß das Kaninchen zu sich sagte: »Ach, du meine Güte! Ich komm ja zu spät!« verwunderte Alice nicht übermäßig. Wenn sie in der Folgezeit darüber nachdachte, fand sie, daß sie sich hätte wundern müssen, aber in diesem Augenblick kam es ihr ganz selbstverständlich vor. Doch als das Kaninchen tatsächlich eine Uhr aus der Westentasche zog, einen Blick darauf warf und dann noch schneller hoppelte, war Alice mit einem Satz auf den Beinen, denn ihr wurde klar, daß sie noch niemals ein Kaninchen mit Westentasche und Taschenuhr gesehen hatte. Außer sich vor Neugier jagte sie ihm quer über die Wiese nach und konnte glücklicherweise gerade noch sehen, wie es unter der Hecke in einem großen Erdloch verschwand.
    Blitzschnell sprang Alice hinterdrein, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, wie sie jemals wieder her aus finden sollte.
    Der Kaninchenbau führte anfangs wie ein Tunnel geradeaus, senkte sich dann aber so plötzlich in die Tiefe, daß Alice keinen Halt mehr fand und in einen senkrechten Schacht fiel.
    Im Nu war mir alles klar.
    Auch die ein, zwei, drei Stück...
    Das Gedicht war aus dem Buch Alice im Wunderland, das Vivian eben las. Auf Seite sieben handelte es vom Kaninchen mit der Uhr. Ich wollte gerade sagen: Sie also haben das Kaninchen mit der Uhr gemalt? Als Vivian sagte:
    »Sie also haben das Kaninchen mit der Uhr gemalt? Ich wußte sofort, daß es eine Botschaft war.« Sie lachte auf. »Der Zeiger stand auf neun. Die einzige Maschine, die um neun startet, fliegt nach Wien. Es war vollkommen klar. Als ich Sie verlor...«
    »Als ich Sie verlor...«
    »Na schön, wir wollen nicht streiten«, sagte Vivian. »Was machen wir in Wien, Anderson?«
    »Wir?«
    »Sie haben mich doch eingeladen.«
    Die Maschine hob von der Erde ab.
    Ich fragte: »Und Ihre Zeitschrift Schick und Schön ?«
    »Modeschauen sind auch in Wien.«
    Ich gab auf. Mir war klar, daß ich verlieren würde. Vivian wollte keinen Streit. Sie brannte vor Neugier. Ich auch. Es war eine lächerliche Situation. Bis heute früh hatte ich mir eingebildet, daß ich es war, der die Fahndung nach Pan Tau leitete. In Wahrheit leitete Pan Tau selbst die Fahndung nach Pan Tau.
    Ich begriff, daß ich ihn erst dann schnappen konnte, wenn er sich schnappen lassen wollte. Der Haftbefehl in meiner Tasche war Unsinn. Nur eines blieb mir übrig: mich von ihm führen zu lassen und zu hoffen, daß ich in den kleinen Scherben der Spuren die Antwort finden würde auf die Frage: Wer ist Pan Tau? Und: Warum tut er das, was er tut?
    »Er spielt«, sagte Vivian, denn auch sie dachte über Pan Tau nach. »Er ist wie ein Kind. Wenn ihm das Spiel keinen Spaß mehr macht, geht er weg.«
    »Was wissen Sie noch?«
    »Ziemlich viel. Lachen Sie nicht! Zum Beispiel...«
    »Zum Beispiel was?« Sie spielte auch. Detektiv.
    »Zum Beispiel, daß...« Sie wurde unsicher. »Lachen Sie mich doch nicht immer aus, Anderson... Der in der Rakete war er auch... mal ist er groß, mal klein.«
    »Noch etwas?«
    »Nichts mehr.«
    »Doch noch etwas. Warum fliegen Sie nach Wien, Vivian?«
    »Weil Sie mich eingeladen haben. Weil Sie das grüne Kaninchen gemalt

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