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Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer

Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer

Titel: Pandaemonia 03 - Phoenixfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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einzelnen Silben und Laute, so, als lausche sie der puren Essenz der Sprache.
    Der Runenstein wurde warm und schließlich so heiß, dass sie ihn am liebsten fallen gelassen hätte. Doch der Griff der Wahrsagerin war unerbittlich.
    Es waren uralte Geheimnisse, die Livia ihr anvertraute. Sie waren schon alt gewesen, als die Manusch ihre Heimat verloren hatten und begannen, rastlos durch die Länder des Nordens zu ziehen. Viele Jahrhunderte lang waren sie von Mund zu Ohr gewandert, wurden stetig angereichert durch neues Wissen, durch neue Erfahrungen, sodass sie auch dann noch die Tür zu beträchtlicher Macht öffnen konnten, als die Magie längst schwach geworden war. Innerhalb weniger Augenblicke sah Vivana die Welt durch die Augen zahlloser Manusch — Wahrsager und Heiler, Zauberer und Totenbeschwörer —, die das Wissen ihrer Vorfahren erhalten hatten und es hüteten und mehrten, bevor sie starben und es ihrerseits an ihre Nachkommen weitergaben.
    Die Flut der Bilder und Geräusche und Gefühle, die auf sie einstürzte, war so gewaltig, dass sie vor Schmerz aufstöhnte. Sie versuchte, sich dagegen abzuschotten, die fremden Erinnerungen auszusperren und sie nicht mehr in ihr Inneres zu lassen — doch Livias Stimme durchdrang mühelos die Barrieren ihres Verstandes, so machtvoll war sie dank der Kraft des Amuletts.
    Übelkeit erfasste Vivana. Sie schien zu fallen, in einem Meer aus Schwärze zu versinken, das ihr Bewusstsein mit Dunkelheit überschwemmte.
    Hände griffen nach ihr, drehten sie auf den Rücken, berührten ihre Wange. Schmerz durchfuhr ihren Kopf, und sie stöhnte abermals. Schließlich öffnete sie blinzelnd die Augen und erblickte Godfrey und Nedjo, die sich über sie beugten.
    »Was ist passiert?«, fragte der Manusch.
    Vivana atmete ruhig, bis die Benommenheit verschwand. Gern hätte sie Nedjo geantwortet, Worte formuliert, doch es gelang ihr nicht. Unzählige Stimmen flüsterten in ihrem Verstand und übertönten jeden Gedanken.
    Sie hielt sich an Nedjos Arm fest und setzte sich auf »Alles in Ordnung? Du bist plötzlich umgekippt.«
    Blitze tanzten vor ihren Augen. Sie spürte, dass sie nach wie vor den Stein umklammerte. Als sie ihre Hand öffnete, blieben Partikel an ihrer Haut kleben. Der Stein zerbröckelte, und seine Überreste rieselten wie Asche durch ihre Finger.
    Sie
wusste
Dinge.
Erinnerte
sich an Ereignisse, die sie nie erlebt hatte. Ihr Kopf war so voll davon, dass er sich anfühlte, als würde er jeden Moment platzen.
    Ruac rieb seine Schnauze an ihrer Schulter. Dankbar für seine Gegenwart schmiegte sie sich an ihn, spürte die Wärme, die seine Flanken verströmten. Seine Zuneigung war etwas Konkretes, gab ihr Halt. Half ihr, sich nicht in den fremden Leben zu verlieren, die sie dutzendfach gesehen und in sich aufgenommen hatte.
    Ein einzelner Gedanke durchdrang ihre Verwirrung:
Livia.
    Sie fuhr herum. Nedjo kauerte neben der Trage, das Gesicht grau vor Kummer.
    Vivana ergriff die Hand der Wahrsagerin, betrachtete ihr Gesicht. Ihre Züge hatten sich entspannt. Sie wirkten sanft und erschöpft zugleich, so als hätte sie sich nach einem langen Arbeitstag hingelegt, um ein wenig zu ruhen.
    Leise sprach Nedjo ein Gebet.

2

In den Glashöhlen
    I n Lady Sarkas Palast war der Herbst nie weit entfernt. Selbst im Hochsommer, wenn Bradost unter der Hitze ächzte, lagen Schatten über dem Garten, sodass es in den Fluren und Hallen kaum je richtig hell wurde. Ein immerwährendes Zwielicht umgab die uralten Bäume und verwitterten Statuen, und stets erfüllte ein Hauch von Moder die Luft.
    Aber nun war Oktober, und der Herbst hatte den Palast tatsächlich fest im Griff. Feuerrotes Laub bedeckte Wege und Rasenflächen. Früh am Morgen ragte das Anwesen wie eine Klippe aus dem Nebel, der vom Fluss durch die Gassen kroch. Die Schwaden verfingen sich in den Gängen des Heckenlabyrinths und verschwanden manchmal bis zum Nachmittag nicht.
    Jackon wanderte einen menschenleeren Korridor entlang und blieb an einem Bleiglasfenster stehen, das auf die kahl werdenden Bäume vor dem Ostflügel wies. Er wusste nicht, wie lange er schon durch das Anwesen streifte. Er hatte die Enge seines Zimmers nicht mehr ertragen und streunte ziellos umher. Das Mittagessen, das Cedric ihm gebracht hatte, hatte er auch nicht angerührt. Er bezweifelte, dass er je wieder etwas zu sich nehmen konnte, ohne dass es ihm sofort wieder hochkam.
    Regengraue Wolken zogen von Karst heran und hingen tief über den Dächern. Wind

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