Pandaemonium - Die Letzte Gefahr
von magischen Zeremonien, deren Zweck es war, ein interdimensionales Tor zu öffnen, das es Wesen, genannt »Die Alten«, aus anderen Welten erlaubte, Zugang zu unserer Welt zu erlangen –
»Glaubst du wirklich an so einen Unsinn, oder warum liest du uns das vor?«, unterbrach Paul sie.
Naomi schaute vom Text auf und antwortete ihm: »Der Verfasser behauptet, dass es einen Zusammenhang mit Krankheiten auf unserem Planeten und diesem interdimensionalen Tor gibt. Er schreibt weiter: ›Im Herbst und Winter 1918, im gleichen Jahr, in dem Aleister Crowley seine magischen Rituale durchführte, brach die Spanische Grippe aus, der weltweit zwischen fünfundzwanzig und fünfzig Millionen Menschen zum Opfer fielen.‹«
Das weckte die Aufmerksamkeit aller.
Naomi überflog ein paar Seiten und fasste dann für die anderen das Gelesene zusammen. »Er spannt den Bogen zu den anderen Seuchen des zwanzigsten Jahrhunderts auf unserem Planeten. Kinderlähmung, immer wieder Ausbruch der Pest, das Auftreten von Aids. Für ihn sind diese Wesen, die sogenannten Alten, die in unsere Welt gekommen sind, eine altbabylonische Fiebertriade, die aus den drei Dämonen Lamaschtu, Labasu und Ahhazu besteht und die in der mesopotamischen Mythologie Fieber, Pest und andere Krankheiten hervorrufen.«
»Du denkst doch etwa nicht im Ernst, dass so ein Tor existiert?«, rief Gabriela verwundert. »Und dass das Todesfieber in Berlin etwas mit dieser Fiebertriade zu tun hat?«
Sie war genauso irritiert wie die anderen. Keiner sonst sagte jedoch etwas. An ihren Gesichtern konnte Naomi ablesen, dass sie zumindest darüber nachdachten. Nur Jimmy schüttelte den Kopf und gab ihr damit deutlich zu verstehen, dass er sie für komplett übergeschnappt hielt. Naomi klappte das Manuskript zu, drehte es um und tippte mit dem Zeigefinger auf den Namen des Verfassers, der auf dem Umschlag stand.
»Wolf Bartosch … Alejandro Rodriquez hat uns den Namen Bartosch als Betreiber des Netzwerks genannt.«
König nahm ihr das Manuskript aus der Hand. Nachdem er kurz darin gelesen hatte, sagte er: »Es gibt noch einen Alrik Bartosch. Seinen Sohn. Und eine Hanne, die wohl verstorben ist. Ihnen hat er den Text gewidmet. Ich weiß nicht, wo das hinführt, aber vielleicht sehen wir klarer, wenn wir mehr über diese Familie herausfinden.«
Während sich König und Naomi die Bücherwand vornahmen, suchten die anderen überall im Zimmer nach möglichen Hinweisen.
Nur Jimmy beteiligte sich nicht an der Suche. Je länger er untätig herumstand, desto wütender wurde er, und zwar hauptsächlich auf sich selbst. Wie hatte er sich nur darauf einlassen können, mit diesen Wahnsinnigen zu gehen? Warum war er nicht abgehauen? Er hätte sich in der Zeltstadt seinen Koffer schon irgendwie besorgen können, und dann – auf und davon. Die anderen konnten ja ruhig einem Phantom hinterher jagen, wenn es das war, was sie wollten; doch er hatte keine Lust dazu.
»Diese Bartoschs sollen die Terroristen sein, nach denen wir suchen?«, platzte es schließlich aus Jimmy heraus. »Ein religiöser Fanatiker, sein Sohn und eine tote Frau? Wir haben in der ganzen Wohnung keinen einzigen Server gefunden. Habt ihr schon vergessen, weswegen wir eigentlich hergekommen sind?«
»Jimmy hat recht«, sagte Paul, der aufhörte, in der Schublade einer Kommode zu wühlen. »Ich glaube, wir haben uns verrannt.«
Konnte das stimmen?, dachte Naomi und hielt inne. Gab es zwischen dem Virus, den Todbringern, dem Brief von Rodriquez, dem Raum hier – mit all seiner Magie und Mystik – und dem Netzwerk womöglich doch keinen Zusammenhang?
In dem Moment, als sie darüber nachdachte, sah sie etwas Metallenes hinter einer Bücherreihe blitzen. Rasch ging sie dorthin und riss in Windeseile die Bände heraus; Bücher purzelten auf den Boden.
Eine große Metallkassette kam zum Vorschein, die sie sogleich aus dem Regal zog. Die anderen stellten sich neugierig um sie herum. Dann öffnete sie die Kiste. Alle Augen richteten sich auf eine Farbfotografie, die oben auf einem Haufen Bilder lag. Darauf war ein kleiner, braungebrannter Junge mit strohblondem Haar zu sehen, der am Strand mit einem Ball spielte. Die braun-orangefarbene Badehose und die Frisur legten nahe, dass das Bild irgendwann in den Siebzigerjahren aufgenommen worden war. Es handelte sich um eines jener typischen Urlaubsbilder aus Kindheitstagen.
Naomi nahm einige Fotos aus dem Stapel heraus und ging sie durch. Es gab mehrere, die vermutlich in den
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