Pandaemonium - Die Letzte Gefahr
getroffen fühlte und entsprechend reagierte.
Weinert, der sich darüber im Klaren war, dass sich die Quarantäne und insbesondere die »Transparent-Aktion« für ihn zu einem PR-Super-GAU entwickeln konnte, hatte eine Frage dieser Art jedoch erwartet und setzte ein betroffenes Gesicht auf, bevor er antwortete: »Ich bin mir der furchtbaren Situation für alle im Gebäude befindlichen Bewohner zutiefst bewusst und teile ihre Sorgen und Nöte. Wir haben die Nachrichtensperre aus dem Grund kurzfristig aufgehoben, dass die Bewohner mit ihren Angehörigen sprechen können. Eine komplette Aufhebung der Nachrichtensperre zum jetzigen Zeitpunkt erachten wir als zu verfrüht, weil wir verhindern wollen, dass ein verzerrtes Bild von der Situation im Gebäude an die Öffentlichkeit gelangt und es zu Panik in der Bevölkerung kommt. Eine unnötige Hysterie, wie wir sie damals bei der Schweinegrippe erlebten, wollen wir dieses Mal auf alle Fälle vermeiden.« Weinert las an den Gesichtern der anwesenden Journalisten ab, dass seine Äußerungen auf Unverständnis stießen.
»Das nennt man Zensur, Herr Weinert«, empörte sich einer der Reporter. »Sie wollen anscheinend verhindern, dass sich die Öffentlichkeit ein vollständiges Bild von der Lage machen kann, weil sonst Ihre Maßnahmen eventuell in Frage gestellt werden.«
»Ich sehe das anders. Diese Maßnahme ist mit allen verantwortlichen Stellen in einem gründlichen Verfahren und unter Abwägung aller Argumente so entschieden worden und dient allein dem Schutz der Bevölkerung«, entgegnete Weinert. »Außerdem, um auf Ihre Frage zurückzukommen …«, er schaute die junge Journalistin eindringlich an, »… sind wir gerade dabei, eine speziell für diesen Notfall geschulte Taskforce aus Ärzten und Pflegekräften zusammenzustellen, die sich um die kranken Bewohner kümmern wird. Bei den gesunden Bewohnern müssen erst aufwendige Tests und Untersuchungen durchgeführt werden, um sicherzugehen, dass sie nicht infiziert sind und andere anstecken. Solange stehen sämtliche Verdachtsfälle unter Quarantäne.«
»Warum bringen Sie sie nicht alle einfach in die Seuchenstation des Virchow-Klinikums?«
»Momentan sind wir noch dabei festzustellen, wie viele Bewohner sich in dem Gebäude befinden. Außerdem wissen wir nicht, wie viele von ihnen gesund und wie viele bereits infiziert sind. Die Spezialabteilung für besonders hoch ansteckende Krankheiten ist auf eine für diese Fälle vergleichsweise geringe Zahl an Patienten ausgelegt und verfügt nur über zwanzig separationsfähige Intensivbetten.«
Die Reporter stellten noch weitere Fragen, die routiniert und professionell beantwortet wurden. Weinert bediente sich des für Politiker typischen euphemistischen Vokabulars, um die dramatische Situation abzuschwächen und die Sachlage weniger drastisch erscheinen zu lassen, als sie wirklich war.
Nachdem die versammelte Presse gegangen war, machte sich der Regierende Bürgermeister mit seinem Referenten auf den Weg zu seinem Amtszimmer. Plötzlich kam ihnen Gerard Schwarz auf dem Gang hinterhergelaufen.
»Neue Infos von meinem Büro!«, rief er aufgeregt und streckte die Hand hoch, in der er sein Handy hielt. »Vier weitere Patienten, die sich mit dem Virus infiziert haben, wurden soeben in die Seuchenstation der Charité eingeliefert. Sie sind alle aus Berlin-Mitte. Das Virus scheint sich schneller als gedacht auszubreiten.«
»Mist!«, fluchte Weinert, was für ihn eine verbale Entgleisung darstellte, die er sich öffentlich niemals erlaubt hätte. »Gut, dass die Presse davon noch nicht Wind gekriegt hat.«
Im Leben eines Politikers gab es die Zeit des Taktierens, des Beschönigens und Beschwichtigens. Aber manchmal eben auch die Zeit, wo es darauf ankam, sich als Krisenmanager hervorzutun und sich auf diese Weise die Gunst der Wählerschaft zu sichern. Weinert hatte immer ein Gespür für Stimmungen und einen Riecher für das richtige Timing gehabt. Jetzt galt es, einen Strategiewandel einzuleiten und sich als »Macher« zu positionieren. Würde er damit Erfolg haben, könnte er die entscheidenden Pluspunkte für den Wahlsieg einfahren.
»Wir müssen jetzt schnell handeln«, erklärte er. »Es darf auf gar keinen Fall so aussehen, als wären wir nicht mehr Herr der Lage. Ich werde Gesundheitsminister Laubthal verständigen. Und Sie, Mahler, rufen Strohmer vom Express Berlin an. Sie sollen uns ein Reporterteam schicken. Ich werde in das Gebäude gehen und mit dem Mädchen
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