Pandaemonium - Die Letzte Gefahr
Geschehen in dem Raum überwachten. Ohne fremde Hilfe hatte hier kein Patient eine Chance herauszukommen.
Simone blieb ganz ruhig und ließ alles über sich ergehen: Man hieß sie, sich in ein Bett zu legen; der eine Krankenpfleger maß Blutdruck und Fieber, der andere nahm Blut ab. Sie dachte die ganze Zeit an Naomi und hoffte, dass sie bald wieder draußen sein und ihr dann etwas einfallen würde, wie sie ihrer Tochter helfen konnte.
Sie hörte dem Pfleger im blauen Schutzanzug nur beiläufig zu, der ihr mit monotoner Stimme eine Vielzahl von Informationen über die Isolierstation mitteilte, damit sie sich an die fremde Umgebung gewöhnen konnte. Er tat dies in stichpunktartiger Weise, wie man das von Power-Point-Präsentationen her kannte: die aufwendige Raumklimatechnik; der Unterdruck, der in jedem Patientenzimmer herrschte, damit keine Viren nach draußen gelangen konnten; die Wasser- und Müllentsorgung, die separat lief; die Abluft; die gefilterten organischen Abfälle, die desinfiziert wurden und anderes mehr. Was er mit einem höflichen Lächeln hinter dem Plastikvisier seines Schutzhelms aber eigentlich zum Ausdruck brachte, war, dass sie jetzt im Grunde nichts anderes als eine Aussätzige war – eine, die man wegsperren musste und deren Atem und deren Körpersäfte unschädlich zu machen waren.
Plötzlich tönte aus einem Lautsprecher, der unauffällig in die Decke eingelassen war, eine Frauenstimme: »Steffen. Robert. Kommt sofort zur Eingangsschleuse!« Die Frau klang sehr ernst.
Im Hintergrund hörte Simone aufgeregtes Stimmengewirr, lautes Husten und Röcheln. Augenblicklich befiel sie eine große Angst. »Bitte … lassen Sie mich nicht alleine!«, bat sie die beiden Pfleger.
»Keine Angst. Wir sind bald wieder zurück!«, entgegnete einer der beiden. Dann entfernten sie sich rasch durch die elektrische Tür, die sich hinter ihnen hermetisch verschloss.
In der Schleuse vor Simones Zimmer führten sie eine Dekontaminationsmaßnahme durch und sprühten sich mit einer Spezialdusche gegenseitig ihre Schutzanzüge ab. Anschließend zogen sie die Handschuhe aus und verließen die innere Station.
Simone war nun ganz allein: eingeschlossen in einem halbgläsernen Käfig mit einer Vielzahl medizinischer Apparaturen. Sie spürte, wie sich Panik in ihr ausbreitete und ihre Gedanken zu beherrschen begann.
Was, wenn die beiden nie mehr wiederkämen?
38
Im Zimmer 319, dem Presseraum des Roten Rathauses im Bezirk Berlin-Mitte, wartete bereits eine große Anzahl von Reportern auf den Regierenden Bürgermeister. Schließlich betrat Karl Weinert zusammen mit seinem Referenten Sebastian Mahler den Raum; ihnen folgten Kerstin Lambrecht, die Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, Dr. Gerard Schwarz vom Robert-Koch-Institut sowie Einsatzleiter Norbert Grin vom Präzisionsschützenkommando. Sie setzten sich auf Stühle hinter einem langen Tisch, auf dem kleine Mikrofone aufgereiht waren.
»Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Presse. Vielen Dank, dass Sie alle gekommen sind«, hob Weinert an, lächelte und schaute dabei in die Runde der versammelten Journalisten. »Wir werden heute Ihre Fragen bezüglich der unter Quarantäne gestellten Plattenbausiedlung beantworten.«
Eine Reporterin meldete sich schneller als alle anderen zu Wort. Weinert nickte ihr zu und deutete ihr mit einem Handzeichen an, ihre Frage zu stellen. »Bitte sehr!«
»Herr Bürgermeister, vorhin kam es zu dramatischen Szenen auf dem Dach des Gebäudes und zu einem Einsatz des PSK. Können Sie uns bitte darüber aufklären!«
»Die Ereignisse haben auch mich überrascht. Ich habe erst vor wenigen Minuten selbst davon erfahren.« Er drehte seinen Kopf zu Grin. »Polizeieinsatzleiter Grin vom PSK kann Ihnen dazu etwas sagen. Er leitet den Einsatz der Schützen vor Ort.«
Es war abgesprochen worden, dass Grin nur vage Erklärungen abgeben und sich nicht über die Einzelheiten der Aktion – insbesondere nicht über die Anzahl der Verletzten – äußern sollte. Daher sagte er jetzt nur: »Der Einsatz unserer Männer erfolgte aufgrund einer extremen Gefahrensituation für die Bewohner, die sich auf dem Dach des Gebäudes aufhielten.«
»Könnten Sie das bitte präzisieren?«, hakte ein Reporter nach.
»Eine uns bekannte Gruppe von Kriminellen befand sich in einer gewalttätigen Auseinandersetzung mit Bewohnern des Gebäudes.«
»Können Sie uns Namen nennen?«, wollte ein anderer Journalist wissen.
»Nein. Ich
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