Pandaglueck
Augen ganz öffnen kann. Irgendwann lasse ich es sein und schließe sie einfach wieder.
„ Lara?“
„ Hm“, grummle ich erneut. Sie wartet kurz und steht dann auf. Ich höre sie im Bad herumwerkeln. Schenke den Geräuschen aber keine weitere Beachtung. Meine Gedanken sind ganz woanders. Ich befinde mich in meiner kleinen Geburtstags-Erinnerungs-Blase. Der Ort, zu dem ich hin will und wo ich gut gerne den Rest meines Lebens verbringen kann.
Auf einmal platzt mir ein Schwall eiskaltes Wasser in das Gesicht. Sofort sitze ich kerzengerade und mit aufgerissenen Augen auf dem Sofa. Mir lä uft das Wasser am ganzen Körper herunter. Ich wische mir die Feuchtigkeit aus dem Gesicht und starre Miriam wütend an, die breitgrinsend vor mir steht.
„ Hallo, Schwesterherz“, sagt sie.
„ Miriam, was sollte das?!“
„ Ich bin nicht zehn Stunden lang hier hergeflogen, um dich beim Vergammeln zu unterstützen.“ Erst jetzt realisiere ich, wer da vor mir steht.
„ Was ist mit deiner Arbeit?“, frage ich besorgt.
„ Das passt schon.“ Sie setzt sich zu mir und betrachtet mich eingehend. „Geh duschen. Dann reden wir.“ Ohne Widerworte stehe ich auf. Als ich fertig aus dem Bad komme, hat sie Frühstück gemacht und wartet auf mich. Ich setze mich zu ihr.
„ Hast du mit ihm noch einmal gesprochen?“ Ich nehme mein Handy in die Hand, das auf dem Küchentisch liegt. Heute ist der erste Tag, an dem ich bislang keinen einzigen Anruf von ihm bekommen habe. Er scheint zu verstehen.
„ Nein.“ Ich habe Miriam nichts von dem Brief erzählt. Sie ist der Meinung, ich solle mit ihm reden. Ihn um eine Stellungnahme bitten. Ich weiß aber ganz genau, dass ich das nicht ertragen werde. Genauso wenig mag ich den Brief lesen. Ich möchte ihm keine einzige Minute mehr meiner aktiven Aufmerksamkeit schenken. Dass er nonstop in meinem Unterbewusstsein zu gegen ist, ist schlimm genug. „Er ist für mich Vergangenheit. Ich will ihn nie wieder sehen. Ich muss lediglich die nächsten Wochen überleben.“
Sie betrachtet mich zweifelnd, wä hrend sie ihren Kaffee trinkt. „Dann helfe ich dir, die nächsten Wochen zu überleben.“ Ich lächle sie dankbar an. Eine der wenigen positiven Gesichtsregungen, die ich in der letzten Woche zu Stande gebracht habe.
„ Danke, dass du da bist.“
Sie drü ckt mir meine Hand. „Ich glaube, es sind noch viel mehr Leute für dich da. Du musst sie nur lassen.“
„ Ja, vielleicht“, sage ich und denke an die wohlige Gänsehaut, die mir Alex‘ Berührungen immer auf der Haut hinterlassen hat. Bei dem Gedanken würde ich am liebsten erneut losheulen. Die Anwesenheit meiner Schwester gibt mir aber die Kraft, das erste Mal den Tränendrang unverrichteter Dinge herunterzuschlucken.
„ Da du jetzt schon wieder lächelst, werde ich es einfach unverblümt ausspucken.“ Ich ziehe beide Augenbrauen hoch und starre sie erwartungsvoll an. Schocken kann mich nichts mehr.
„ Ja?“, frage ich, als sie keine Anstalten macht, weiter zur reden.
„ Pack deine Sachen, wir fahren nach Düsseldorf.“ Okay, es gibt Dinge, die mich doch schocken können.
„ Nach Düsseldorf? Du weißt, dass unsere Eltern da wohnen?“, frage ich entgeistert nach.
„ Eben drum.“
Ich muss meinem Gehirn ein paar Sekunden Zeit geben, um ihre Nachricht zu v erarbeiten. „Du hast Mama und Papa angerufen?!“ Ich bin entsetzt.
„ Nein, Mama hat mich angerufen. Und ich hatte die Wahl dich entweder zu Ihnen zu bringen oder sie würden hierher kommen. Daher habe ich mich sofort dazu entschieden, mit dir dorthin zu fahren. So besitzen wir immerhin die Möglichkeit der spontanen Flucht.“
„ Das ist jetzt nicht wahr, oder?“ Ich halte mir die Hände verzweifelt an den Kopf.
„ Oh, doch. Also frühstücke, damit wir losfahren können.“
„ Bist du sicher, dass du heute hinfahren willst? Du bist doch gerade erst nach Hause gekommen.“
Sie blickt mich ü ber ihren Tassenrand an. „Falls wir heute Abend nicht auf Mamas Sofa sitzen, verspreche ich dir, dass sie morgen früh an unserer Tür klingeln wird. Und jetzt wo Papa im Ruhestand ist, haben sie keinen Grund mehr zügig zurück zu müssen. Also würden sie ewig hier bleiben. Vor allem, wenn es dir nicht gut geht. Willst du das wirklich riskieren?“
Ich sehe sie nachdenklich aus den Augenwinkeln an. „ Wenn man es so betrachtet, macht es sicherlich Sinn so schnell wie möglich nach Düsseldorf zu kommen.“ Sie grinst mich wieder an und nimmt sich ein
Weitere Kostenlose Bücher