Pandaglueck
verdränge ich mit aller Macht den Gedanken. Muss ich wirklich mit ihm reden? Ich möchte nicht mit ihm reden. Um keinen Panda der Welt will ich ihm noch einmal gegenüberstehen. Ich bin so mit dem Anstarren der Dunstabzugshaube beschäftigt, dass ich nicht gemerkt habe, wie meine Schwester hinter mir die Küche betreten hat.
„ Alles okay, Lara?“, fragt sie besorgt.
„ Ja klar, warum nicht?“, antworte ich mit einem versuchten Lächeln auf den Lippen.
Sie sieht mich stirnrunzelnd an. „ Wenn du über irgendetwas reden willst … du weißt, dass ich für dich da bin.“ Ich nicke. Und dann ist sie wieder da. Die unangenehme Stille, die in den letzten Tagen so oft zwischen mir und Personen entstand, die ich gerne habe. Ich lasse das erzwungene Lächeln sein und sehe sie ernst an. „Sag mal Miriam, wirke ich irgendwie unglücklich auf dich? Also ich meine … so richtig?“
Sie sieht mich irritiert an. „ Natürlich bist du unglücklich. Das ist aber auch völlig normal.“
„ Wirke ich auf dich normal unglücklich?“ Jetzt zögert sie und was sich in ihrem Gesicht abspielt, ist die Vorbereitung auf eine Lüge. „Und lüg mich nicht an.“
Sie schließ t kurz die Augen und atmet tief durch. „Nein, normal ist das mit Sicherheit nicht.“ Sie macht eine kurze Pause. „Er hat dich verletzt. Richtig verletzt. Das ist keine Sache, bei der du nach ein paar Tagen wieder glücklich durch die Welt rennst. Es braucht Zeit, dass der Schmerz nach lässt. Und bei den emotionalen Ausmaßen, die das Ganze mit sich gezogen hat, braucht es eben sehr viel mehr Zeit, als sonst.“ Sie sieht mich mit ihren strahlendblauen Augen eindringlich an und legt den Arm um mich. Dabei kitzeln ihre blonden Locken meine Wange.
„ Ja, das mag es wohl sein …“, murmle ich zweifelnd. Mir ist klar, dass es mit der Zeit nicht besser werden wird, denn mein Vater hat Recht. Ich verdränge alles, was mit Alex zu tun hat. Mir steigen Tränen in die Augen. „Weißt du … Ich habe mich so sehr in ihn verliebt.“
Miriam drü ckt mich noch fester an sich. „Das sieht ein Blinder mit einem Krückstock.“ Sie streichelt behutsam über meine Haare.
„ Es hatte sich alles so richtig angefühlt. Ich meine, so richtig richtig . Es war so perfekt. Ich hatte das Gefühl, dass er mich gerne hat.“ Weiter komme ich nicht, da mein Schluchzen wieder anfängt. Mein Vater steht nun auch in der Küche und legt seinen Arm um mich.
„ Ach Kind“, seufzt er.
Dann mischt sich meine Mutter ein. „ Ich glaube, wir sollten den Tee ein bisschen aufpeppen.“ Ich höre, wie sie den Korken von irgendeiner Flasche zieht und die Teetassen auffüllt. Sie drückt mir eine Tasse in die Hand.
„ Trink das. Du wirst dich besser fühlen. Hat mir in meiner Ehe viel geholfen.“ Dabei sieht sie meinen Vater mit einem liebevollen Lächeln an. Ich beende mein Schluchzen und nehme einen Schluck von dem Tee.
Es ist nun Tee mit Cognac.
Den ganzen Abend über kippt meine Mutter Cognac nach, sobald ich einen Schluck Tee genommen habe. Dementsprechend befindet sich ich irgendwann Alkohol mit einem Schluck Tee in meiner Tasse, statt Tee mit einem Spritzer Alkohol. Bei sich und Miriam versucht sie nicht einmal die verschiedenen Liköre mit etwas zu verdünnen und die beiden sind nach wenigen Gläsern gut angeheitert. Ich hingegen nippe sporadisch an dem liebevoll gemixten Cocktail, denn mir ist nach gar nichts zu Mute. Nicht einmal nach Verdrängung durch Alkohol.
Als mein Vater mein bedrü cktes Gesicht sieht, bittet er mich mitzukommen. Ich stehe verwundert auf und folge ihm in die Garage. Dem Gelächter meiner Mutter und Schwester zu urteilen haben die beiden gar nicht mitbekommen, dass wir verschwunden sind. Ich hoffe nur, dass Miriam morgen in der Lage sein wird, uns zurück nach Berlin zu fahren. Ansonsten hängen wir hier mit Sicherheit ein paar weitere Tage fest.
Mein Vater bleibt vor seiner Angelausrü stung, die fein säuberlich am hinteren Ende der Garage verstaut ist, stehen. Er legt einen Arm um mich und zieht mich zu sich.
„ Weißt du eigentlich, warum deine Mutter so einen Hass auf mein Hobby hat?“
Ich will die Frage bereits bejahen, als mir bewusst wird, dass ich es nicht weiß . Seit Gedenken hakt sie auf dem Angelverein herum und ich habe nie hinterfragt, warum das eigentlich so ist.
„ Nein …“, flüstere ich und betrachte seine teure Ausrüstung.
„Ü ber einen Kollegen bin ich zum Angelsport gekommen. Er hatte mich an einem
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