Pandaglueck
Wochenende beim Einkaufen getroffen und spontan eingeladen ihn zu begleiten. Ich sagte ihm zu, musste jedoch nach Hause, die Einkäufe wegbringen. Deine Mutter war bei Gertrud. Du kennst das ja, wenn sie da drüben ist, braucht man gar nicht erst versuchen sie zu stören.“ Er deutete mit dem Kopf in die Richtung, in der Gertruds Haus steht. „Ich ließ ihr einen Zettel in der Küche, dass ich mit einem Kollegen zum Angeln gegangen bin. Wie du dir sicherlich denken kannst, hat mir der Nachmittag sehr gefallen und ich bin dem Angelverein hier im Dorf beigetreten. Von da an ging ich jeden Samstag zum Angeln. Deine Mutter fragte nie danach. Ich vermutete, dass sie es nicht gut heißt und es ihre Art und Weise ist, mir das deutlich zu machen. Eines Samstags kam ich nach Hause und sie stand mit gepackten Koffern im Flur. Sie wollte mich verlassen.“
Nun nehme ich den Blick von den Angelruten und sch aue zu ihm auf.
„ Was? Mama wollte dich verlassen?“
Er nickt. „ Sie dachte, ich hätte eine Affäre. Sie hat den Zettel nie gefunden und dachte allen Ernstes, dass ich mich jeden Samstagnachmittag mit einer anderen Frau treffe.“
Verblü fft starre ich ihn. „Wann war das denn?“
„ Ein Jahr, bevor Miriam geboren wurde. Verstehst du, was ich dir damit sagen will?“
„ Geh nie in deinem Leben Angeln?“, versuche ich mit einem Lächeln zu scherzen.
„ So in etwa“, erwidert er mit einem Grinsen. „Manchmal interpretiert man Dinge einfach falsch, weil man sich weigert, Fragen zu stellen, die eventuell unbequeme oder ungewünschte Antworten nach sich ziehen.“
Ich schlucke und betrachte eingehend meine Hausschuhe. Mein Vater hat recht. So sehr ich mir wü nschte, dass er nicht recht hat, kann ich es nicht leugnen.
„ Ich kann dir nicht versprechen, dass er dir Antworten liefert, die dir gefallen werden und dich wieder glücklich machen. Vielleicht machen sie dich vorerst noch trauriger. Aber du hast dann zumindest Antworten.“
„ Danke Papa“, erwidere ich mit erstickter Stimme und versuche meine Tränen hinunterzuschlucken. Denn ich weiß ganz genau, was ich morgen, sobald ich die Wohnung betrete, machen werde. Den verdammten Brief lesen. Und allein der Gedanke, mich aktiv mit Alex und der Situation auseinanderzusetzen, jagt mir eine Heidenangst ein. Ein gebrochenes Herz habe ich schon. Die Frage ist, was noch folgen kann.
Ein wehmü tiges Gefühl durchfährt mich, als ich die Wohnung aufschließe. Miriam hat mich abgesetzt, da sie kurz im Büro vorbei schauen will. Architekten gehören offensichtlich auch zu den Leuten, die keine freien Tage kennen. Zumindest hat sie mir versichert, spätestens für ein gemeinsames Abendessen wieder zu Hause zu sein. Mich hat es sowieso gewundert, dass sie in der Lage war, uns zurück nach Berlin zu fahren. Nachdem sie mit meiner Mutter den Alkoholbestand im Hause meiner Eltern halbiert hat, war ich fest davon ausgegangen für mindestens zwei weitere Tage dort festzustecken, und Alex Brief vorerst nicht in die Hände zu bekommen. Das Universum gönnt mir natürlich keine Schonfrist und Miriam war heute Morgen putzmunter und bereit zur Rückfahrt. Ich vermute, dass sie sich in New York eine gewisse Trinkfestigkeit angeeignet hat.
Ich lasse meine Tasche im Flur stehen und gehe in mein Schlafzimmer. Mein Blick fä llt sofort auf die oberste Schublade meiner Kommode. Zunächst setze ich mich auf meine Matratze und starre mit leeren Augen, auf die Stelle, an der ich den Brief vermute. Nach einer gefühlten Ewigkeit erhebe ich mich endlich und ziehe das Schubfach auf. Ich wühle in den Handtüchern, die darin untergebracht sind herum, bis ich den Gegenstand fühlen kann, den ich suche. Er ist schwerer als ich ihn in Erinnerung habe. Während ich mich zurück auf mein Bett setze, betrachte ich den Umschlag genauer. Es steht in wunderschönen Buchstaben „Lara“ darauf. Ich drehe das Kuvert um und öffne es zaghaft. Es kommen mehrere, vorsichtig gefaltete Papiere zum Vorschein.
Ich falte die Seiten ause inander, und beginne zu lesen.
17. Kapitel
Nach den ersten zwei Zeilen hö re ich auf. Was mache ich hier? Ich lese Worte, die mir zwar eine Erklärung geben werden, dass, was ich aber brauche, bieten sie mir nicht. Das, was ich in der momentanen Situation am meisten brauche, ist ein Abschluss, der es mir erlaubt mit meinem Leben fortzufahren, ohne bei jeder emotionalen Gelegenheit in Tränen auszubrechen. Was ich vor allem benötige, ist ein
Weitere Kostenlose Bücher