Pandoras Tochter
wiederzubeleben. Scott wünschte, Hal hätte heute Nacht keinen Dienst, weil er von Konkurrenzdenken beherrscht wurde und Megan als Bedrohung für seine Karriere ansah. Die ersten Jahre nach dem Studium konnten für einen Arzt manchmal alles entscheiden. Nichts wäre Hal lieber, als Megan unprofessionell aussehen zu lassen.
»Ich mache mir keine Sorgen«, erwiderte Scott. »Sie macht das richtig gut.«
»Ich habe gehört, sie hätte fast die Nerven verloren, als der Junge starb.«
»Sie war betroffen, aber sie hat die Nerven nicht verloren. Sie würde niemals das Leben eines Patienten aufs Spiel setzen und die Fassung verlieren.« Er drehte sich auf dem Absatz um. »Und jeder, der mit dabei war, wird dir dasselbe sagen. Versuch nicht, ihr deswegen Ärger zu machen. Der einzige Fehler, den sie heute Abend gemacht hat, war, dass sie die Sache zu sehr an sich rangelassen hat, das hat ihre Arbeit jedoch nicht beeinflusst.«
»Darüber lässt sich streiten. Der Chefadministrator hat, soweit ich gehört habe, den Eindruck, dass sie ein bisschen labil ist.« Hal lächelte bösartig. »Aber dir gefällt ihre emotionale Seite wahrscheinlich. Wie ist sie im Bett, Scott?«
»Keine Ahnung.«
»Klar. Deshalb läufst du ihr hinterher wie ein Hengst einer rossigen Stute. Ich wette, sie ist eine heiße Nummer, wenn sie etwas von ihrer angestauten Energie loswerden muss. Ich kann dir nicht verübeln, dass du auf sie fliegst.« Hal richtete den Blick wieder auf Megan. »Sie sieht nicht schlecht aus. Ich hätte auch nichts dagegen, sie flachzulegen. Wenn sie nur nicht so ein hochnäsiges Miststück wäre.« Damit ging er weiter.
Bastard.
Scott unterdrückte seinen Zorn. Am liebsten hätte er dem Hurensohn eins aufs Maul gegeben. Klar – alles, was Megan jetzt noch brauchte, war, dass sich zwei Kollegen ihretwegen auf dem Krankenhauskorridor prügelten. Hal hatte recht, die Klinikleitung hatte Megan im Auge. Sie liebten es, wenn der Betrieb reibungslos lief, und selbst das kleinste Anzeichen von Instabilität jagte ihnen höllische Angst ein.
Megan war nicht instabil. Niemand arbeitete härter als sie. St. Andrews konnte sich glücklich schätzen, sie zu haben. Eine ganze Reihe angesehener Kliniken im Nordosten hatte ihr einen Job angeboten, noch ehe sie das Studium abgeschlossen hatte. Sie war nur in Atlanta geblieben, weil sie ihren Onkel Phillip, der sich seit dem Tod ihrer Mutter um sie gekümmert hatte, nicht allein lassen wollte.
Verdammt, Hal würde ihr wahrscheinlich sogar noch die familiären Gefühle vorwerfen. Er schreckte vor nichts zurück, wenn er sie nur schlechtmachen konnte.
Er beschuldigte sie sogar, mit einem verheirateten Mann zu schlafen.
Der Gedanke war eigenartig verlockend.
Was fiel ihm ein? Er und Jana waren erst zwei Jahre verheiratet, und sie kannten sich seit Jahren. Megan war ihm seit der Studienzeit eine gute Freundin. Er hätte den Schein in Chemie nie bestanden, wenn sie nicht fast ein ganzes Semester mit ihm gebüffelt hätte. Seit seiner Heirat mit Jana war Megan für sie beide da. Janas kleiner Sohn Davy hatte sie fest in sein Herz geschlossen.
Sie sieht nicht schlecht aus, hatte Hal gesagt.
Das war eine Untertreibung. Sie sah verdammt gut aus mit ihrer schlanken, anmutigen Figur, dem glänzenden dunkelbraunen Haar und diesen großen haselnussbraunen Augen. Aber nicht diese Äußerlichkeiten zogen Männer an. Hal hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, als er von ihren angestauten Energien gesprochen hatte. Selbst wenn sie entspannt war, erahnte Scott den emotionalen Aufruhr, der sie zu elektrisieren schien. Es war … interessant.
Und erregend.
Und er sollte besser aufhören, seine Reaktion auf Megan zu analysieren. Das war Jana gegenüber nicht fair. Er würde sie nie betrügen, dennoch verspürte er allmählich Schuldgefühle.
Ja – es wäre wohl besser, wenn er ein wenig auf Abstand zu Megan ginge.
Megans Hand zitterte, als sie die Tür ihres SUV aufschloss. Sie atmete tief durch, ehe sie einstieg und den Motor startete. Wahrscheinlich sollte sie warten, bis sie sich erholt hatte, ehe sie den Parkplatz verließ, aber das hatte sie nicht vor. Sie wollte nach Hause zu Phillip. Sie brauchte die Ausgeglichenheit und Sanftmut ihres Onkels. Sie war fix und fertig nach den Stunden, die sie mit Delores Rivera verbracht hatte.
Ihr würde es bessergehen, sobald sie nach Hause kam. Nach ein paar Stunden Ruhe hatte sie bestimmt ihr Gleichgewicht wiedergefunden, das sie in dem
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