Pangea - Der achte Tag
kleinen Krug. Mit einem Mal veränderte sich das gleißende Weiß vor seinen Augen, riss auf wie ein Schleier. Huan sah erst Schatten, dann immer deutlichere Konturen, die sich um ihn herum bewegten. Farben traten hervor, zuerst noch blass und milchig. Sie wurden aber schnell kräftiger. Huan sah, dass er sich in einem hellen, fensterlosen Raum befand. Er lag auf einer Art bequemen Pritsche, allerdings völlig nackt, wie er erschrocken bemerkte. Es gab nicht viel in dem Raum, an dem sich der Blick festhalten konnte. Ihm gegenüber stand ein Apparat mit einem Leuchtdisplay, das unverständliche Symbole in rascher Folge darstellte. Aber vielleicht erkannte Huan sie auch noch nicht richtig. Dafür erkannte er nun drei Männer. Alle um die vierzig. Zwei trugen bequeme hellblaue Kleidung, Hosen und kurzärmelige Hemden ohne Taschen, anscheinend aus Baumwolle, jedenfalls nicht aus dem geheimnisvollen Material, das die vier Männer getragen hatten. Dazu einen passenden Kopfschutz, eine Art Käppi. Der dritte Mann trug etwas Ähnliches in Grau, allerdings trug er noch einen locker gewickelten Seidenschal in leuchtendem Orange dazu. Huan sah, dass er sehr volles, fast weißes Haar hatte. Alle drei Männer waren groß und schlank und sehr bleich, als wären sie lange nicht mehr ans Sonnenlicht gekommen. Sie sahen sich sehr ähnlich. Brüder, war Huans erster Gedanke. Sie betrachteten ihn freundlich und neugierig, wie ein sehr seltenes Tier, das sie gefangen hatten, um es nun zu untersuchen.
»Kannst du mich erkennen?«, fragte einer von den beiden in der hellblauen Kleidung. Huan nickte schwach.
»Kannst du sprechen?«
Huan versuchte es, aber es kam nur ein heiseres Krächzen dabei heraus.
»Das geht bald vorbei, mach dir keine Sorgen«, sagte der Arzt. »Das ist eine normale Folge des Transfers.«
Huan bemerkte einen scharfen Blick des Grauen, als der Arzt »Transfer« sagte.
»Wo ... bin ... ich?«, krächzte Huan kraftlos und richtete sich etwas auf. Das allein kostete ihn enorme Anstrengung.
»Schone dich«, sagte jetzt der Graue, legte ihm eine Hand auf die Schulter und drückte ihn sanft auf die Liege zurück. »Wir werden alle deine Fragen schon bald beantworten. Wir sind sehr froh, dass du hier bist. Und ...«, fügte er zögernd hinzu, ». dass du lebst.«
Der Graue lächelte ihn aufmunternd an. Ein angenehmes, väterliches Lächeln.
Er musste wohl wieder das Bewusstsein verloren haben. Als er das nächste Mal die Augen aufschlug, war er allein. Huan überlegte einen Moment, wie viel Zeit wohl seit seinem letzten Wegdämmern vergangen war, aber es gab keinen Hinweis. Er konnte hier schon Tage liegen. Oder Wochen. Oder nur Minuten.
Es wurde Zeit, das herauszufinden.
Huan probierte, ob er sich aufrichten konnte. Es gelang ganz gut, obwohl ihm zum Schluss schwindelig wurde. Er wartete ein paar Sekunden, dann setzte er sich auf den Rand der Pritsche. Sehr gut. Klappte doch. Also weiter. Aufstehen.
Ihm wurde erneut schwindelig, als er aufstand. Er war noch etwas wackelig auf den Beinen, aber sie trugen ihn. Daraus schloss Huan, dass er nicht lange gelegen haben konnte, denn er wusste, dass die Beinmuskulatur ohne Bewegung schon nach wenigen Tagen zu schwach werden konnte, den eigenen Körper zu tragen. Vorsichtig versuchte er ein paar Schritte und sah sich eingehender in dem Raum um. Tatsächlich gab es kein Fenster, aber immerhin eine Tür. Allerdings ohne Klinke und verschlossen. Huan machte ein paar Versuche, sie zu öffnen, aber er wusste Bescheid über automatische Türen und versuchte es gar nicht erst mit Gewalt. Er blickte sich um, um herauszufinden, wo er war. Das medizinische Gerät, das er gesehen hatte, war verschwunden. Im Raum gab es nur die Pritsche, zwei Plastikstühle wie aus einer Designerzeitschrift und eine Art Kommode, auf der Handtücher und ein Stapel gebügelter und gefalteter Kleidung lagen. Das erinnerte Huan daran, dass er immer noch nackt war.
Die Kleidung wirkte wie neu und roch nach nichts. Es handelte sich um eine hellblaue Hose und ein hellblaues Hemd ohne Knöpfe aus dem baumwollartigen Stoff, den auch die beiden Männer getragen hatten. Der Stoff war leicht und fühlte sich angenehm auf der Haut an. Nicht zu warm und nicht zu kühl. Sobald Huan Hose und Hemd übergestreift hatte, zog sich der Stoff ein wenig zusammen und passte sich seinen Proportionen an, ohne hauteng anzuliegen. Einfach nur bequem. Angezogen fühlte sich Huan auch gleich besser. Was aber nichts daran
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