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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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war.
    »Ich habe dich in den letzten Wochen beobachtet«, fuhr Liyas Vater fort. »Ich weiß, dass du immer davon geträumt hast, und es stimmt, du bist begabt. Aber ...« »... nicht begabt genug, meinst du das etwa?«
    Ihr Vater sagte nichts dazu.
    »Oder ist es, weil ich ein Mädchen bin?«
    »Du weißt genau, dass das nichts damit zu tun hat. Du bist einfach noch nicht so weit.«
    »Was ist mit Leisi und Liao?«
    »Ich werde sie gehen lassen.«
    »Aber sie haben die Gabe nicht!«, platzte Liya heraus.
    Die Gabe. Nur sehr wenige Ori besaßen Liyas einzigartigen Orientierungssinn, den sie von ihrem Vater geerbt hatte. Eine Art sechster Sinn für Richtungen und Distanzen, vielleicht sogar mehr. Ein unschätzbarer, überlebenswichtiger Vorteil für eine Karawane in der endlosen Regenschattenwüste. Mit seinem Gespür lotste Liyas Vater seine Leute unbeirrbar durch die endlose Wüste. Ohne die Gabe hätte er es nie zu einem der größten und reichsten Karawanenführer gebracht. Liyas Brüder Leisi und Liao hatten die Gabe nicht. Und dennoch gestattete ihr Vater ihnen, Zhan Shi zu werden. Krieger.
    »Du lässt mich nicht gehen, weil du mich für die Karawane brauchst, das ist es doch!«
    Ihr Vater verzog das Gesicht. Die erste offene Gefühlsregung seit dem endgültigen Nein.
    »Vielleicht im nächsten Jahr«, versuchte er, sie zu besänftigen.
    Liya brauchte ihre ganze Selbstbeherrschung, um nicht zu schreien. Draußen vor der Jurte hörte sie ihren Kalmar unruhig schnaufen und konnte seinen tranigen Geruch bis hierher riechen. Er spürte bereits, dass irgendwas nicht stimmte.
    »Im nächsten Jahr nehmen wir eine ganz andere Route! Und im übernächsten Jahr bin ich zu alt für die Kaste. Sie nehmen niemand über sechzehn auf!«
    Ihr Vater wusste das natürlich.
    Ihr Idol. Ihr Beschützer. Ihr Ein und Alles.
    Ihr Vater war selbst einst Zhan Shi gewesen, Mitglied der ältesten Kaste der wiedergeborenen Neuzeit. Die Zhan Shi waren die einzige Kriegerkaste der Ori und sorgten in den Siedlungen für Ordnung und Sicherheit. Hauptsächlich aber war die Kaste zu einem anderen Zweck gegründet und über die Jahrhunderte erhalten worden: die Quelle der Mondtränen zu beschützen und jeden Sariel daran zu hindern, die Quelle zu vernichten. Wenn es sein musste, ihn auch zu töten. Liyas Vater, der eine Karawane von zweihundert Kalmaren anführte, war einst ein berühmter Zhan Shi gewesen. Chuang Shi - eine lebende Legende. Er hatte vor zwanzig Jahren den letzten Sariel getötet.
    Und nun löschte er ebenso kaltblütig ihren Lebenstraum aus, mit einem einzigen Wort, so gnadenlos, wie die Sonne in der zentralen Wüste jeden Keimling verbrennt, bevor er ein Pflänzchen werden kann.
    »Nein!« Das kam jetzt von Liya. »Das akzeptiere ich nicht!«
    Ihr Vater blieb unbewegt. »Was willst du tun?«
    Sie atmete durch. »Ich werde ohne deine Erlaubnis in die Kaste eintreten.«
    »Du weißt, dass du meine Empfehlung brauchst.«
    »Oder die des Ältestenrats. Und die hole ich mir, sobald wir die Oase erreichen.«
    Ihr Vater seufzte tief auf. »Mach es mir bitte nicht so schwer. Glaubst du wirklich, dass der Ältestenrat meine Entscheidung infrage stellen wird? Das Einzige, was du damit erreichst, ist, mich und den Rat zu blamieren. Willst du das?«
    Liya schwieg trotzig. Ja, genau das wollte sie. Sie wollte ihren Vater verletzen, wie er sie verletzt hatte.
    »Nein, natürlich nicht«, sagte sie dennoch und senkte den Kopf. Sie hatte inzwischen eine Entscheidung getroffen.
    »Darf ich jetzt gehen?«, fragte sie steif. »Die Kalmare müssen noch versorgt werden. Die Sonne geht bald auf.«
    »Wir lieben dich, Liya«, sagte ihr Vater mit einem Blick zu seiner Frau. »Das darfst du nie vergessen, was immer auch passiert.«
    »Darf ich jetzt gehen?«
    Ihr Vater wirkte, als wollte er noch etwas sagen, aber dann nickte er nur.
    Liya wickelte sich fester in ihren breiten Kyrrschal, als sie aus der Jurte ihres Vaters trat. Nichts schützte besser gegen den pulverfeinen Sand und die extremen Temperaturen der Regenschattenwüste als ein echter Kyrrschal. Der Schal war ein Vermögen wert, ein Geschenk ihrer Mutter zu ihrem fünfzehnten Geburtstag - dem Tag der »Reife«. Er bestand aus reiner Kyrrhaut. Kyrr waren lang gestreckte, scheue Tiere mit unzähligen kurzen Beinchen und konnten bis zu drei Meter lang werden. Sie gehörten zu den wenigen Lebewesen, die sich an die feindlichen Bedingungen der Regenschattenwüste angepasst hatten. Bei den Kyrr

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