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Pangea - Der achte Tag

Pangea - Der achte Tag

Titel: Pangea - Der achte Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schlüter
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die vier keine harmlosen Werbeträger waren, sondern eine tödliche Gefahr, dass sie ihn suchten, aus welchem verdammten Grund auch immer.
    Seine nächste Empfindung war uralt. So alt wie das Leben: panischer Fluchtreflex. Eine Welle aus Adrenalin und Angst brandete durch seinen Körper und jede Faser seines Körpers schrie Flucht. Die Empfindung war so stark und eindeutig, dass ihm davon übel wurde und Huan ihr sofort nachgegeben hätte - wenn die unmittelbar darauf folgende Empfindung es nicht verhindert hätte. Und auch dieses Gefühl war so alt wie die Menschheit: Neugier. Wenn diese Männer ihn schon töten wollten, dann wollte Huan wenigstens verstehen, warum. Einen Augenblick lang.
    Einen Wimpernschlag. Und noch einen. Beim dritten Wimpernschlag begann das Feuerwerk mit einer ersten dumpfen Explosion hoch oben im Nachthimmel und einer der Männer wandte sich um und entdeckte ihn.
    Beim vierten Wimpernschlag rannte Huan wie ein Hase, der von einem Rudel ausgehungerter Wölfe gejagt wird.
    Als der Blick des Mannes in der flirrenden Kleidung ihn traf, wusste Huan, dass er keine Chance hatte. Trotz ihrer lächerlichen Aufmachung sahen die vier kräftig aus, gut ausgebildet und trainiert wie ein Kommandotrupp. Wie Krieger. Und die Rucksäcke sahen auch nicht aus wie Trinkschläuche mit Apfelsaftschorle. In dem Moment, in dem der eine Krieger Huan bemerkte, reagierten auch die drei anderen, als hätten sie es gespürt.
    Huan war noch nie verfolgt worden. Huan hatte noch nie um sein Leben rennen müssen. Huan war nur ein fünfzehnjähriger Junge mit Liebeskummer, der manchmal seltsam träumte und sich ansonsten für einen coolen Typen hielt. Huan wusste nicht, was ein gejagtes Wild tun muss, um zu überleben.
    Aber sein Körper wusste es. Im Moment der Flucht erinnerte er sich an uralte, genetisch vererbte Verhaltensmuster aus einer Zeit vor aller Zeit. Huan musste nicht mehr nachdenken, um das Richtige zu tun. Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung, die der rote Kater nicht besser hingekriegt hätte, verschwand er rückwärts in der Menge und rannte los, so schnell er konnte.
    Von Rennen konnte allerdings kaum die Rede sein. Das Feuerwerk hatte begonnen, die Leute drängten dichter nach vorn, um besser sehen zu können, und bildeten eine schier undurchdringliche Mauer aus Leibern, durch die sich Huan mühsam durchkämpfen musste. Oben am Hamburger Nachthimmel wurde es donnernder Frühling, gewaltig und bunt und laut, wie es sich für eine so reiche Stadt gehörte. Und irgendwo darunter rannte Huan um sein Leben, rannte im Zickzack durch die Menge, von der Alster weg in Richtung Stadt, um sich irgendwo in einer der nächsten Straßen zu verstecken. Huan kümmerte sich nicht mehr um Höflichkeit, rempelte sich mit der Schulter zwischen die Leute, rammte ältere Frauen, stieß ein Kind um, trat einem Mann im Lauf in die Fersen. Aber Huan musste auch einstecken. Ein großer Ellbogen traf ihn hart an der Schläfe und warf ihn fast aus der Bahn. Jemand schubste ihn heftig von sich, dass er ins Stolpern kam und frontal gegen einen Baum rannte. Huan beachtete es gar nicht. Schmerz war nur noch eine unbedeutende Empfindung am Rande. Von den vier Kriegern sah er nichts mehr, aber er spürte, dass sie irgendwo ganz in der Nähe waren und ihn bereits verfolgten.
    Und so war es auch. Im selben Moment, als Huan zurück durch die Menge geflohen war, hatten sie die Verfolgung aufgenommen. Im Gegensatz zu Huan bewegten sie sich jedoch völlig mühelos und mit hoher Geschwindigkeit. Ihre seltsamen Anzüge flackerten nicht mehr bunt und hatten die Farben der Umgebung angenommen. Wie körperlose Geister, wie vier heiße Messer durch weiche Butter durchdrangen sie die Menschenmenge. Dabei fiel kein einziges Wort, kein Kommando. Die vier Männer schienen die ganze Zeit über zu wissen, wo Huan war, kreisten ihn ein und zogen den Kreis dann enger.
    Unter normalen Umständen wäre es aussichtslos gewesen. Aber Huan hatte das seltsame Lied geträumt, und während er im Zickzack weiterrannte, fiel es ihm wieder ein. Er hatte keinen Atem mehr, um zu singen, aber das brauchte er auch gar nicht. Das Lied dröhnte in seinem Kopf, lauter als das Feuerwerk hoch über ihm, und Huan passte seine Schritte widerspruchslos dem Rhythmus der Melodie an.
    Was dabei herauskam, war mehr ein seltsames Ballett als eine Flucht. Huan hielt plötzlich inne, drehte sich, duckte sich, rannte weiter. Nach einigen Schritten schlug er unvermittelt einen Haken,

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