Panic
Einzige, was mir von meiner Familie geblieben ist«, sagte ich und fröstelte trotz der Hitze, die vom Feuer abstrahlte. »Das kann ich nicht abnehmen.«
Anstatt auszurasten, grinste er: »Du bist ihr sehr ähnlich.«
»Wem?«, fragte ich, obwohl ich es schon wusste. »War sie Ihre Frau?«
Er erstarrte. »Mehr als das, sie war meine Gefährtin.« Er kniete sich hinter mich und legte mir die Hände auf die Schultern.
Ich sagte nichts, starrte nur angespannt ins Feuer und wartete auf die Vergewaltigung. Stattdessen band er mir die Hände mit einem Lederstreifen auf den Rücken.
»Keine Sorge«, sagte er. »Während eines heiligen Rituals ist dem
Mara’akame
jede sexuelle Handlung untersagt, obwohl ich große Lust hätte.«
Er kroch nach vorn und musterte meinen Körper mit unverhohlener Gier. Gedemütigt blickte ich zur Seite, als er mir die Knöchel fesselte. Als er sicher war, dass ich nicht entkommen konnte, legte er mir ein Fell um die Schultern und ein zweites um die Beine.
Er trat zurück, um sein Werk zu bewundern, und warf dann meine Kleidungsstücke ins Feuer, eins nach dem anderen. Das Gewehr landete im Fluss. Als er wiederkam, wendete er die verkohlten Überreste meiner Kleider, um sie vollständig zu verbrennen. Er legte Reisig nach, bis das Feuer Funken sprühte und seine Flammen bis hoch in die Bäume sandte. Ich drehte den Kopf aus der Hitze. Da sah ich, eineinhalb Meter von mir entfernt, den zerbrochenen Schenkelknochen eines Hirschs im Schnee stecken. Wahrscheinlich verarbeitete er hier das erlegte Wild, dachte ich, bevor er Fleisch und Häute hinüber auf die Insel schaffte.
Unterdessen wühlte er in seiner Tasche und förderte eine Pfeife zutage, einen Lederbeutel mit einer seltsamen blauen Verzierung darauf und drei Federn: die eine schwarz, die zweite weißlich, die dritte kupferfarben. Die steckte er mir ins Haar.
Er setzte sich neben mich ans Feuer und stopfte die Pfeife. »Dies hier ist eine andere Mischung, Little Crow«, verkündete er, zog einen brennenden Zweig aus dem Feuer und hielt ihn an den Pfeifenkopf. »Keine Visionen. Stattdessen werden deine Sinne rasiermesserscharf, und du nimmst alles wahr, was um dich herum vorgeht. Den Atem des Wolfes, den Jagdrauch.«
Ich wusste inzwischen, dass man ihn nicht bekämpfen konnte, also nahm ich die Pfeife in den Mund und nahm einen tiefen Lungenzug. Der Rauch dehnte sich aus und füllte mir heiß die Lunge. Ich hustete trocken und stoßweise, doch dann nahm ich auf sein Kommando hin einen zweiten Zug. Wie angekündigt, hatte ich zwar keine Halluzination wie vorhin in der Höhle, doch merkte ich die Wirkung des Rauchs fast augenblicklich: Mir summten die Ohren, die Augen, die Nase, die Zunge, die Haut. Ich roch den Fluss jenseits des Feuers und die Pappelschösslinge auf der Insel. Ich sah die Silhouetten der Bäume, wo zuvor nur Dunkelheit gewesen war. Und dann, im Westen, hörte ich das schwache Heulen von Wölfen.
Er schien es auch zu hören, denn er stand auf, ging an seinen Rucksack und holte zwei Säckchen Hirschblut heraus. Er biss eines auf, träufelte ein paar Tropfen auf die Hirschhaut, die meinen Schoß bedeckte, und zog eine schräge Linie bis zu einem Punkt etwa zehn Meter jenseits der Feuerstelle. Mit dem anderen Beutel Blut wiederholte er die Prozedur in die andere Richtung. Dann warf er beide Beutel ins Feuer, schulterte den Rucksack, nahm den Bogen und schnallte sich den Köcher an die Hüfte. Noch aus sechs Metern Entfernung hörte ich seinen Atem, der jetzt flach und schnell ging, wie bei einem Jäger, der Beute gesichtet hat.
»Sie sagten doch, Sie würden mich nicht töten.«
»Das werde ich auch nicht. Das erledigen andere für mich«, antwortete er und wies mit dem Kopf nach Westen, in Richtung des Sticks River. »Sie sind meine Verbündeten. Sie kommen jede Nacht, weil ich sie füttere. Jetzt werden sie sich an dir satt fressen, ich opfere dich meinen Verbündeten.«
Ich zerrte an meinen Fesseln. »Sie sind verrückt! Ihre Frau würde dasselbe sagen!«
Zwei riesige Schritte, und er stand vor mir, das Messer stoßbereit. Ich senkte den Kopf, fügte mich in mein Schicksal, zog es den Wölfen vor.
Stattdessen beugte er sich zu mir herunter und sagte ernst, als müsse er es mir begreiflich machen, als sei ich die Einzige, die ihn verstehen könnte: »Sie liebt mich dafür. Für uns war die Jagd ein heiliges Ritual, eine Gotteserfahrung, denn Geburt und Tod sind Bestandteile unseres Lebens. Ich muss das Ritual
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