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Panic

Panic

Titel: Panic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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reinigen, damit es wieder so wird wie vor ihrem Tod.«
    »Nein, Sie verunreinigen es.«
    Seine Miene wurde hart. »Siehst du es denn gar nicht ein?«
    »Ich sehe einen Mann, der vor Schmerz den Verstand verloren hat.«
    »Sei’s drum«, knurrte er und stand auf. »Ich hab dich falsch eingeschätzt. Sie kommen schon. Ich muss mich ins feindliche Lager aufmachen, das Ritual zu Ende führen.«
    Damit verschwand er in die Schattenwelt jenseits des Feuers. Die Flammen, die noch vor wenigen Minuten bis in den nächtlichen Himmel gezüngelt hatten, flackerten jetzt nur noch schwach. Binnen weniger Minuten wäre nichts als glimmende Asche übrig. Ich wand mich in den Fesseln, mit denen er mir Arme und Beine zusammengebunden hatte, aber vergebens, ich erreichte damit nur, dass mir die Hirschhaut von den Schultern auf die Hüfte glitt. Der Anblick der eng verwobenen schwarz-weißen Federkiele auf meinem Medizinbeutel trieb mir Tränen in die Augen.
    Der Wind frischte auf, griff nach meinen Brüsten wie eisige Krallen. Ich sah auf sie hinunter im Licht der Flammen und erinnerte mich an die Abende zu Hause in Boston, als ich meine Babys gestillt und ihr Saugen gespürt hatte. Damals erschien mir alles richtig und gut. Ich schloss die Augen und gab mich ein paar kostbare Minuten lang diesem tröstlichen Gefühl hin.
    Der Erste kam von links auf mich zu. Er durchquerte federnd und kraftvoll die Schneewehen und hechelte erwartungsfroh. Sein dichtes, stumpfes Winterfell liebkoste die Weidenruten am Ufer. Ich roch das Blut, das er auf mich und in den Schnee geträufelt hatte, und auch den anderen, kupfrigen Geruch des getrockneten Blutes um die Wolfsschnauze herum, von einer früheren Beute. Zunächst blieb er noch außer Sichtweite, wartete, bis fünf weitere Wölfe sich zu ihm gesellt hatten.
    Ein Holzscheit brannte durch und fiel in sich zusammen, und der Lichtkreis wurde kleiner. Ich spürte den Wolf heranschleichen, während die Übrigen hinter ihm ausschwärmten. In diesem Moment brach der Mond durch die Wolken und tauchte die Umgebung ringsum in ein bleiches Licht.
    Zwei der Wölfe beschnupperten knurrend die Blutspur zu meiner Rechten. Die drei anderen saßen auf Stümpfen, etwa vierzig Meter von mir entfernt, und in ihren topasgelben Augen spiegelten sich die sterbenden Flammen, die mein einziger Schutz waren.

Zweiundzwanzigster November
    Eine unheimliche Stille legte sich über den mitternächtlichen Wald. Wie durch einen Schleier beobachtete ich, wie der Wolf, der mir am nächsten war, Kopf und Hals senkte, sodass die Schulterblätter über sein Rückgrat hinausragten, und wie er den Schweif kerzengerade nach hinten ausstreckte. Eine Angriffshaltung.
    Ich grub die Fersen in die Hirschhaut und schnellte nach hinten, auf die Rückwand des Unterschlupfs zu.
    Der Wolf knurrte und tat zwei schnelle Schritte nach vorn. Der zweite Wolf folgte dem Späher und stellte sich wachsam an seine Flanke. Noch ein Schritt, als plötzlich ein Windstoß ins Feuer fuhr, dass die Flammen aufloderten und Funken sprühten. Der Rauch kroch am Boden entlang, den Jägern in die Augen. Schnaubend und würgend zogen sie sich zum Rest des Rudels zurück. Sie würden mit ihrem Angriff warten, bis das Feuer erloschen war.
    Ich war plötzlich schwächer als jemals zuvor in meinem Leben, ein Wunder, dass ich überhaupt noch aufrecht sitzen konnte. Die schattenhaften Gestalten beobachteten mich. Hatte ich den Willen, mit Würde zu sterben? Mitchell hatte immer behauptet, der Tod sei nur der Übergang in eine andere Welt, und was wir zurückließen, würde zur Quelle eines neuen Lebens. Er vergrub daher die Knochen seiner Hirsche, weil er glaubte, die Tiere würden für künftige Jäger neu erstehen. Würde mein Fleisch diesen Wölfen und damit auch dem Mörder Kraft geben?
    Das Feuer erstarb wieder. Und in der Dunkelheit schlich sich der Wolf vorsichtig nach rechts. Ich wusste, was er vorhatte, denn mein Vater hatte mir vor Jahren erzählt, dass er bei einer Jagd im nördlichen Minnesota beobachtet hatte, wie ein Rudel Wölfe eine Elchkuh gerissen hatte. Das Rudel würde versuchen, mir in den Rücken zu fallen, ehe sie mir an die Kehle gingen.
    Das Tier tat noch einen Schritt, da blitzte in mir die Erinnerung an die angefressene Leiche meines Vaters auf und an die Stelle im Schnee, wo sich die Wölfe über Pattersons Eingeweide hergemacht hatten. Wieder wurde es still um mich. Meine Kinder kamen mir in den Sinn, da packte mich die Wut. Ich würde gewiss

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