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Panter, Tiger und andere

Panter, Tiger und andere

Titel: Panter, Tiger und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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und das Wiedergekäute sieht dann so aus: »Rathenau hat mit am meisten …« Es ist ganz und gar abscheulich: »mit« ist eine Präposition oder Suffix eines Verbums – so aber, wie es sich da im Satz herumtreibt, ist es gar nichts, ein elendes Wrack vom Schiffbruch eines deutschen Satzes.
    Es ist ein Jammer um die Pflege der deutschen Sprache.
    Kümmert sich schon einmal einer um sie, dann heißt er Eduard Engel; dieser unsägliche Hohlkopf hat es neulich fertigbekommen, den feinen Sprachkenner Wustmann zu beschimpfen, der in der kleinen Zehe mehr Sprachgefühl hatte als der Schöpfer der arabischen Zahlen auf den Eisenbahnwaggons im Kopf hat. Das Zeitungsdeutsch, das sich erheblich gebessert hatte, ist heute wieder im Begriff, in Modewörtern zu ertrinken. Erst denken sie nicht, und dann drücken sies schlecht aus. »Er ist menschlich mit einer der besten…«, dass das einer schreiben, redigieren, setzen und durchgehn lassen kann! Diese Snobs schreiben, wie die Verkäufer von Seidenwaren sprechen: atemlos, eilig, alles im Superlativ, bewegt anpreisend. Alles wird auf eine Spitze getrieben, von der es wackelnd wieder herunterfällt. »Das ‘s ja faabelhaft! Na, unerhöört! Ein unmöglicher Patron…!« Wie viel Offizierkasino ist darin, wie viel Anreißerei!
    Eine Rede ist keine Schreibe. Und dieses da ist weder eine solche noch eine solche.
    1928

Die Essayisten
St. Clou den 25 Juni 1721
… Ich habe mitt den zeittungen einen grossen brieff bekommen von dem postmeister von Bern, er heist Fischer von Reichenbach; aber sein stiehl ist mir gantz frembt, ich finde wörtter drinen, so ich nicht verstehe, alsz zum exempel: »Wir uns erfrachen dörffen thutt die von I.K.M.general-postverpachtern erst neuer dingen eingeführte francatur aller auswärtigen brieffschaften uns zu verahnlassen.« Dass ist ein doll geschreib in meinem sin, ich kans weder verstehen, noch begreiffen; das kan mich recht ungedultig machen. Ist es möglich, liebe Louise, dass unssere gutte, ehrliche Teüutschen so alber geworden, ihre sprache gantz zu verderben, dass man sie nicht mehr verstehen kan?
Liselotte von der Pfalz
     
    »Ich habe nun bis ins einzelne verfolgt und nachgewiesen, dass letztere Periodizität der Weltanschauungsformen und erstere Periodizität der Stilformen stets Hand in Hand gehen als religiös-philosophische bzw. ethisch-ästhetische Ausdrucksformen und Widerspiegelungen der organischen Entwicklung jedes Kulturzeitalters von seiner Renaissance bis zu seiner Agonie und dass auch wieder die verschiedenen Kulturzeitalter sich als Volksaltersstufen entsprechend organisch auseinander entwickeln, in großen Zügen als patriarchalische Kindheit, feudale Jugend, konstitutionelle Reife, soziales Alter und kosmopolitisches Greisentum der Völker.«
    Und davon kann man leben –?
    Offenbar sehr gut, denn dies ist die Lieblingsbeschäftigung vieler Leute: Essays zu schreiben. Die meisten davon sehn so aus wie diese Probe.
    Es hat sich bei jenen Schriftstellern, die nie aliquid, sondern immer de aliqua re schreiben, ein Stil herausgebildet, den zu untersuchen lohnt. So, wie es, nach Goethe, Gedichte gibt, in denen die Sprache allein dichtet, so gibt es Essays, die ohne Dazutun des Autors aus der Schreibmaschine trudeln. Jenes alte gute Wort darf auch hier angewandt werden: der Essaystil ist der Mißbrauch einer zu diesem Zweck erfundenen Terminologie. Es ist eine ganze Industrie, die sich da aufgetan hat, und sie hat viele Fabrikanten.
    Die Redlichkeit des alten Schopenhauer scheint bei den Deutschen nichts gefruchtet zu haben. Jeder Satz in den beiden Kapiteln »Über Schriftstellerei und Stil« und »Über Sprache und Worte« gilt noch heute und sollte, Wort für Wort, den Essayisten hinter die Ohren geschrieben werden, es wäre das einzig Lesbare an ihnen. »Den deutschen Schriftstellern würde durchgängig die Einsicht zustatten kommen, dass man zwar, wo möglich, denken soll wie ein großer Geist, hingegen dieselbe Sprache reden wie jeder Andere. Man brauche gewöhnliche Worte und sage ungewöhnliche Dinge: aber sie machen es umgekehrt.«
    Jeder kennt ja diese fürchterlichen Diskussionen, die sich nach einem Vortrag zu erheben pflegen; da packen Wirrköpfe die Schätze ihrer Dreiviertelbildung aus, dass es einen graust, und man mag es nicht hören. Dieser Stil hat sich so eingefressen, dass es kaum einen Essayisten, kaum einen Kaufmann, kaum einen höhern Beamten gibt, der in seinen Elaboraten diesen schauderhaften Stil

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