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Panter, Tiger und andere

Panter, Tiger und andere

Titel: Panter, Tiger und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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auch Ihrerseits Geld verdienen wollen, und Sie beugen sich. Es ist so leicht Es ist so süß; ein kleines Nachgeben, ein leichtes Wiegen des Kopfes, ein winziges Verleugnen der Grundsätzchen, und Sie sind ein beliebter, angesehener, überall freundlich aufgenommener junger Mann! Wollen Sie das?«
    Ich schüttelte verächtlich den Kopf.
    »Aber, aber!« begütigte der Meister. »Bedenken Sie, was Sie machen! Sie werden heiraten wollen, eine Familie gründen, einen Hausstand – und Sie werden sich beugen. Was haben Sie und alle ändern von diesen Prinzipien, von diesem starren Festhalten an der Wahrheit oder was Sie so nennen! Da sehen Sie hingegen: was kostet es mich denn? Ich bin freundlich zu allen Leuten, ich sage zu allem Ja, wo Sie vielleicht entrüstet Nein schreien würden, und ich kann schweigen. Schweigen kostet gar nichts. Schweigen ist die Perle in der Krone der menschlichen Künste. Schweigen Sie!«
    »Ich muß sprechen!« sagte ich laut.
    »Sie müssen nicht. I, wer wird denn müssen! Schweigen Sie, beugen Sie sich! Beugen Sie sich vor dem Geld und beugen Sie sich vor dem Ruhm, beugen Sie sich vor der Macht – vor der zu allererst – und beugen Sie sich vor den Frauen – und was wird Ihr Lohn sein?«
    Er lehnte sich zurück und lächelte satt.
    »Ich lebe«, fuhr er fort, »wie Sie sehen, auf gutem Fuß, und ich bin recht zufrieden. In meinem Hause verkehren Priester und Ärzte, Offiziere und Künstler – und keinem tue ich je etwas in meinen Schriften zuleide, und jeder bekommt eine gute Flasche Rotwein. Glauben Sie, ich sehe nicht, was dahintersteckt? Aber es kümmert mich nicht. Sie lesen meine Werke, sie kaufen meine Bücher – was will ich mehr? Bin ich angestellt, ihnen die Wahrheit zu sagen, die unbequeme, harte Wahrheit?«
    »Wir alle sind angestellt, den Menschen die Wahrheit zu sagen!« sagte ich.
    »Ich nicht«, sagte der Meister, »ich nicht. Ich habe diese Anstellung gekündigt, und seitdem geht es mir sehr gut. Und seitdem habe ich was ich brauche, mehr als ich brauche; meine Tochter heiratet demnächst einen Fabrikbesitzer. Ja.«
    »Soll ich heiraten?« fragte ich.
    »Die, die Sie lieben, nicht – denn ich ahne: sie hat kein Geld. Heiraten Sie die Tochter eines reichen Mannes; Raum ist in der kleinsten Villa – aber eine Villa muß es sein. Rauchen Sie?«
    »Nein«, sagte ich, »ich rauche nicht. Ich…«
    »Rauchen Sie!« sagte er freundlich. »Es dämpft ab. Und hören Sie auf mich, der ich oben auf der Leiter stehe, die Sie zu besteigen im Begriff sind. Der Erfolg ist alles. Sie erwerben ihn durch viererlei: durch den Kompromiß, durch Schweigen; durch Zuhören und durch Schmeichelei bei den alten Leuten. Verstehen Sie das, dann sind Sie ein gemachter Mann! Und es ist so angenehm, ein gemachter Mann zu sein!«
    Er strahlte und sah aus wie ein Mime nach dem Applaus. Ich erhob mich und blickte ihn fragend und erhitzt an.
    »Sie werden mir heute noch widersprechen«, sagte Peter Panter. »In dreißig Jahren tun Sie es nicht mehr. Sorgen Sie, dass es dann nicht zu spät ist! Gehaben Sie sich wohl, und lassen Sie es sich gut gehn!«
    Ich nahm die dargebotene Hand und stürzte hinaus.
    Drinnen saß der Meister an seinem prunkvollen Diplomatenschreibtisch und schüttelte lächelnd den Kopf. »Diese jungen Leute«, sagte er. »Das will mit dem Kopf durch die Wand und schlauer sein als unsereiner. Nun, jede Erfahrung muß jeder an sich selbst machen! Aber nun will ich ein wenig Tee trinken! Franz!«
    Und er schellte.
    Draußen aber am Gitter stand ich, die gußeiserne Türklinke des Parktors in der Hand, von Haß geschüttelt, von Wut verzerrt, ohnmächtig, giftig-böse und im Innern fühlend, dass der andre zum mindesten für sich recht hatte. Und ich sagte: »Ein ekelhafter Kerl.«

Letzte Fahrt
An meinem Todestag – ich werd ihn nicht erleben –
da soll es mittags rote Grütze geben,
mit einer fetten, weißen Sahneschicht…
Von wegen: Leibgericht.
     
Mein Kind, der Ludolf, bohrt sich kleine Dinger
aus seiner Nase – niemand haut ihm auf die Finger.
Er strahlt, als einziger, im Trauerhaus.
Und ich lieg da und denk: »Ach, polk dich aus!«
     
Dann tragen Männer mich vors Haus hinunter.
Nun faßt der Karlchen die Blondine unter,
die mir zuletzt noch dies und jenes lieh…
Sie findet: Trauer kleidet sie.
     
Der Zug ruckt an. Und alle Damen,
die jemals, wenn was fehlte, zu mir kamen:
vollzählig sind sie heut noch einmal da…
Und vorne rollt Papa.
     
Da fährt die erste, die ich

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