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Panter, Tiger und andere

Panter, Tiger und andere

Titel: Panter, Tiger und andere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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Es heißt: »Rein möbeltechnisch hat der Tisch schon irgendwie eine kreisrunde Gestalt.« So heißt das. Sie schwappen über von »militärwissenschaftlich«, städtebaupolizeilich« und »pädagogisch-kulturell«.
    Gesagt ist mit diesem Zeug nicht viel: man weiß ja ohnehin, dass in einem Aufsatz über das Fußballspiel nicht von Kochkunst die Rede ist. Aber der betreffende Fachmann will dem Laien imponieren und ihm zeigen, wie entsetzlich schwer dieses Fach da sei… Die meisten Zeitungsartikel gleichen gestopften Würsten.
    In den Briefen ist es etwas andres. Da regiert die Nachahmung des flegelhaften Beamtenstils.
    Es ist rätselhaft, wie dieses Volk, das angeblich so unter seinen Beamten leidet, sich nicht genug tun kann, ihnen nachzueifern – im Bösen, versteht sich. Ist es denn nicht möglich, höflich zu schreiben? Aber jede Speditionsfirma sieht ihre Ehre darin, Briefe herauszuschicken, die wie »Verfügungen« anmuten.
    Da wird ehern »festgestellt« (damit es nicht mehr wackelt); da wird dem Briefempfänger eins auf den Kopf gehaun, dass es nur so knallt, und das ist nun nicht etwa »sachlich«, wie diese Trampeltiere meinen, die da glauben, Glattheit lenke von der Sache ab – es ist einfach ungezogen. Sie haben vor allem von den Beamten gelernt, jeden Zweifel von vornherein auszuschalten. Liest man die Briefe, so sieht man immer vor dem geistigen Auge:
    Tagesbefehl
Es stehen bereit: 8.30 Uhr vormittags Abteilung Löckeritz auf der Chaussee Mansfeld-Siebigerode…
Ich befinde mich im Schloß und so fort –
    als ob man nicht auch in einem Geschäftsbrief an den entscheidenden Stellen leicht mildern könnte. Aber nein: sie regieren.
    In erotisch-kultureller Beziehung denke ich mir den Liebesbrief eines solchen Korrespondenten so:
    Geheim! Tagebuch-Nr. 69/218.
    Hierorts, den heutigen
Meine Neigung zu Dir ist unverändert.
Du stehst heute abend, 7 ½ Uhr, am zweiten Ausgang des Zoologischen Gartens, wie gehabt.
Anzug: Grünes Kleid, grüner Hut, braune Schuhe. Die Mitnahme eines Regenschirms empfiehlt sich.
Abendessen im Gambrinus, 8.10 Uhr.
Es wird nachher in meiner Wohnung voraussichtlich zu Zärtlichkeiten kommen.
    (gez.) Bosch,
Oberbuchhalter
    »An einer Seite Prosa wie an einer Bildsäule arbeiten…«, schrieb Nietzsche. So siehst du aus.
    1929

»Mit«
    Daß es ernsthafte Verlage gibt, deren Lektoren Vokabeln wie »unerhört«, »fabelhaft« und »ein unmögliches Hotel« durchgehn lassen, ohne dass der Schreibersmann damit die Sprachverschluderung von Snobs charakterisieren wollte, vielmehr, die eigne aufzeigt, mag angemerkt werden. Diese großstädtischen Kleinstädter glauben wirklich, dass ihr »Kreis« die Welt darstelle oder und zum mindesten die Pyramidenspitze der Welt.
    Diese Sprachverderber, denen die vierhundert Modewörter fertig aus dem Munde kollern, und die keinen Satz mehr ohne »menschlich« und »ihn als Menschen« schreiben können, geben noch dem ärgsten Puristen recht, der der Meinung ist, dass man auch ohne »hallucinative Substantive« auskommen könne. »Diese undeskriptiven Substantive sind gehirnlich-empfindsame Summationen…« Kann man das auch auf deutsch sagen? Nein, das kann man freilich nicht auf deutsch sagen.
    Und wenn die Grammatik in diesen Sprachsumpf taucht, dann bringt sie etwas ans Licht, das heißt: »mit«. Und sieht so aus:
    Friedrich Nietzsche hat den snobistischen Superlativ erfunden; er milderte ihn durch »vielleicht«. Er schrieb fast nie: »Dieses Buch war im achtzehnten Jahrhundert von sehr großem Einfluß«, sondern er liebte es zu sagen: »Dieses Buch hat im achtzehnten Jahrhundert vielleicht den größten Einfluß …« Die Schönheit der Prosa dieses Philosophen hat manche Früchte getragen; seine kleinen Höcker trägt die ganze Familie. »M. ist vielleicht unser größter deutscher Journalist« schreibt ein Reporter vom andern, das klingt, und darin steckt vor allem die Fiktion, als habe der Schreibende sämtliche deutsche Journalisten vor Augen, wähle unter ihnen aus, erwähle sich nun diesen einen… und er verdickt die Lüge, indem er sie durch »vielleicht« scheinbar mildert. In dieser Schublade liegt »mit«.
    Der Gedankengang ist, an einem Beispiel gezeigt, dieser:
    »In Gemeinschaft mit andern ist besonders Rathenau durch unklare Diktion dem philosophischen Bedürfnis der deutschen Masse entgegengekommen.« Hier setzt nun die stenographische Denkweise der Analphabeten ein; sie schlucken den Satz herunter, würgen ihn wieder hoch,

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