Pantoufle - Ein Kater zur See - Schacht, A: Pantoufle - Ein Kater zur See
die Möwe.
Mistvieh!
Sie schwang sich auf und setzte zur nächsten Attacke an.
Ich rettete meine protestierenden Knochen unter einen kleinen Felsvorsprung. Dummerweise lagen hier Muschelschalen, und ein schmerzhafter Schnitt verletzte meinen Ballen an der Hinterpfote.
Möwenschiss!
Immerhin gab der verfluchte Vogel sein Ansinnen auf, mir den Pelz zu zerpflücken, und ich konnte erneut zusammenbrechen.
Ein zaghafter Sonnenstrahl weckte mich das nächste Mal und brachte mir erneut und weit deutlicher als zuvor meine missliche Lage zu Bewusstsein.
Ich war alleine. An einem Strand, den ich nicht kannte. Gebeutelt und ramponiert. Hungrig und durstig. Den Möwen und Sandflöhen hilflos ausgesetzt.
Noch einmal überprüfte ich meine Glieder. Es war noch immer alles dran, sogar der komplette Satz Schnurrhaare. Nass war auch alles, und als ich vorsichtig über eine leicht erreichbare Stelle leckte, hatte ich den scheußlichen Salzgeschmack auf der Zunge.
Entmutigt wollte ich einfach nur wieder die Augen schließen und die Welt vergessen.
Aber selbst das war mir nicht vergönnt.
Wasser platschte von oben auf mei nen Kopf. Genau zwischen die Ohren.
Ich hasse Wasser.
Vor allem in den Ohren!
Mühsam schleppte ich mich aus dem stetigen Rinnsal und blickte mich suchend nach einem anderen Versteck um. Ein weiterer Tropfen lief mir die Nase hinunter. Ich streckte unwillkürlich die Zunge heraus und leckte ihn ab. Kein Salzwasser.
Köstlich.
Was da den Felsen herunterlief, musste aus einer Pfütze Regenwasser stammen. Ich liebe Pfützen. Das Wasser darin half gegen den Durst.
Danach fiel mir auch das Putzen leichter. Und einen einigermaßen geschützten Platz fand ich auch dort, wo sich im Fels eine kleine Höhle gebildet hatte.
Sie sollte mein Heim für die nächste Zeit werden. Was blieb mir auch anderes üb rig? Denn um den beschwerlichen Weg die Klippen hinauf zu wagen, fühlte ich mich bei Weitem zu schlapp.
Immerhin fand ich schon am nächs ten Tag etwas zu futtern. Ein Fisch war mir sozusagen vor die Pfoten gespült worden. Allerdings hatte ich pa nische Angst, als ich aus meiner Höhle kroch, um ihn mir zu holen. Diese Möwengeschwader warteten nämlich schon darauf, ihn mir abspenstig zu machen.
Also vorgesprintet, Fisch geschnappt und zurück.
»Höhöhö«, kreischte die Möwe empört.
Widerliches Federvieh.
Ich sandte ihr einen giftigen Blick, und sie setzte sich vor meiner Höhle in den Sand und watschelte arrogant auf und ab. Möwen können gar nicht anders als sich unelegant bewegen.
Ich fauchte sie an, aber das störte sie überhaupt nicht.
Ich brummte eine weitere Warnung, sie flatterte mit den Flügeln und hopste ein winziges Stück weiter.
Wenigstens ein kleiner Erfolg.
Mit wachsamen Augen schlang ich den Fisch runter. War nicht mehr ganz frisch, aber der Hunger trieb’s rein.
Endlich flog auch die Möwe fort. Sie hatte wohl eingesehen, dass ich nicht zum Teilen bereit war.
Nachdem mein Magen gefüllt war, drehte ich mich so, dass meine Knochen von der Aprilsonne gewärmt wurden und dabei so langsam heilen konnten. Doch während dieser Mußezeit setzte dann al lerdings eine ganz andere Form von Elend ein.
Janed. Meine Menschenfreundin Janed. Was war mit ihr geschehen?
Unser Haus war perdu, von der Klippe gerutscht, von der brüllenden See verschlungen. Kein ku scheliges Bett mehr, kein knisterndes Ka min feuer, kein Tel lerchen mit Milch, keine Decke, sich darin eine Kuhle zu treteln.
Keine Schmusestunde mehr, kein Kraulen und Bürsten, kein Summen und Plaudern.
Das Letzte, das ich von Janed gesehen hatte, war ihr verzwei felter Versuch gewesen, sich am Bo den fest zuhalten. Hatte auch sie die Welle erfasst? War auch sie die Klippen hinuntergespült worden? War sie zerschlagen und blutig irgendwo angeschwemmt worden?
Unsägliche Trauer wollte mich übermannen. Ich liebte meine Janed doch so sehr. War sie mir nicht Mutter,
Spielgefährtin, Beschützerin gewesen fast vom ersten Tag meines Lebens an?
Unglücklich legte ich die Schnauze auf meine weißen Pfoten, denen ich meinen Namen verdankte.
»Pantoufle«, hatte sie mir ins Ohr geschnurrt, just als ich ge landet war. »Pantou fle, dich schickt der Him mel!« Ja, das hatte sie gesagt.
Und ich hatte mich augenblicklich wie im Himmel gefühlt.
Auch wenn ich damals meine Maman und die drei Geschwister vermisst hatte. Eine kleine Weile.
Es war nämlich so, dass Maman uns in einem Garten zur Welt gebracht hatte. Wo, daran
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