Papa Bloedmann - Ein Vater packt aus - Die beliebtesten Glossen aus ELTERN
Scheinwerferaugen.
Die scheinbar harmlosen Gesellen wollen nur eines: Kinder verführen. Sie schreien: »Kauf mich! Benutz mich! Fütter mich! Huuuunger! Muss Münzen mampfen!«
Leider sind die Zeiten vorbei, in denen ich meine Kinder auf so eine Gute-Laune-Maschine setzen konnte, ohne Geld einzuwerfen. Heute wollen sie den echten Ritt auf dem falschen Elefanten.
Oder am besten gleich Bargeld, um es in Überraschungseiern, mit Farbstoffen und Konservierungsmittel angereichertem Zuckerzeug oder giftigem Plastikschrott anzulegen.
Supermärkte sind so konstruiert, dass Eltern keine Chance gegen die Konsumsucht ihrer Kinder haben. Vor der Kasse baut man Tonnen bunter, süßer, nutzloser Sachen auf – allesamt in Kniehöhe, sodass die Kleinen anfangen zu quengeln, und zwar so automatisch, wie sich die Eingangstür öffnet, wenn man hindurchgeht. Es ist ein Reflex. Deshalb kann bei der Meuterei für das Bounty immer nur einer gewinnen – der Supermarkt.
Was tun? Gerade in Vor-Oster-Zeiten, in denen Schokonikolaus-Regale zu Schokohasen-Regalen werden, verspüre ich den ganz und gar unpädagogischen Wunsch, meine Kinder nur noch geknebelt, gefesselt und mit verbundenen Augen mit zum Einkaufen zu nehmen. Ich denke außerdem über eine Zusammenarbeit mit militanten Tierschützern nach, um all die wehrlosen, in Stanniol verpackten Hasen, Küken und Lämmer zu befreien.
Eine Zeit lang versuchten wir, die Zuckersucht unserer Kinder durch Extrem-Öko-Ernährung zu bekämpfen. Zum Frühstück gab es Reiswaffeln mit zuckerfreiem Fruchtaufstrich, mittags Vollkornreis ohne Sauce mit Salat, nachmittags einen leckeren Kuchen aus grobkörnigem Dinkelmehl und frei laufenden Eiern. Der Kuchen schmeckte wie halbsüßer, halb ausgehärteter Zement, aber es war ja für einen guten Zweck.
Irgendwann mussten wir feststellen, dass die Anti-Zucker-Politik nicht den erwünschten Effekt zeigte. Wir hätten es wissen können: Prohibition steigert das Verlangen nach Verbotenem. Also probierten wir es mit einem öffentlich zugänglichen Fach, das stets gut mit Gummibären, Schokolade und Chips gefüllt ist.
Die Kinder gehen erstaunlich gut damit um und bedienen sich in geradezu rührend maßvoller Weise. Einmal gab mein Sohn zu, eine Tüte Gummibärchen geräubert zu haben – dabei hatte er nur drei Bärchen herausgenommen! Vielleicht sollten wir mit der Vergnügungssucht angesichts blinkender Automaten ähnlich liberal umgehen.
Meine Therapie-Idee: Sobald die Kinder größer sind, fliegen wir nach Las Vegas, setzen uns ein Limit von zehn Dollar und leben unsere Träume aus.
Total kaputt
Kinder zerstören Dinge nicht aus Böswilligkeit. Sie machen nichts anderes, als deren Aggregatzustand zu verändern
D ie schöne alte Carrera-Rennbahn? Kaputt. Das ökologisch korrekte Puppenhaus aus unbehandeltem Holz? Unbenutzbar. Das Licht im Flur? Geht nicht mehr. Das Fahrrad des Sohnes? Defekt. Die Nerven? Hinüber.
Alles geht den Bach runter, alles. Menschen, Tiere, Pflanzen, selbst Felsen und ganze Planeten gehen kaputt. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann sich die Dinge in Staub auflösen.
Physiker nennen das Entropie. Für sie gibt es keine kaputten Sachen. Aus ihrer Sicht laufen lediglich unterschiedliche Prozesse ab, die den Zustand eines Systems verändern.
Erstaunliche Entropie-Sonderfälle spielen sich ab, wenn das System Familie heißt und die Energie von Kindern ausgeht. Erstaunlich deshalb, weil nirgendwo anders so viel innerhalb so kurzer Zeit kaputtgeht wie hier. Eigentlich könnte eine ganze Serviceindustrie von der Schadensbehebung in Haushalten mit kleinen Kindern leben. Warum gibt es eigentlich noch keine Agentur für Au-pair-Handwerker?
Dabei existieren unterschiedliche Grade des Kaputtseins: leichte Schäden wie ein abgerissener Puppenarm, der wieder anoperiert werden kann. Schwere Missstände wie ein Modellflugzeug mit defektem Elektromotor. Und dann gibt es noch die ganz kaputten Sachen, die jenseits aller Rettungsmöglichkeiten sind. Im Amerikanischen gibt es dafür ein Adjektiv: »fubar«, eine Abkürzung für »fucked up beyond repair«.
Kleinkinder lernen neben »nein« und »Mama« ganz schnell ein weiteres wichtiges Wort: »put«. Es macht das Baby angeblich schlau, Dinge vom Hochstuhl zu werfen und laut »put!« zu krähen. Kluge Eltern benutzen deshalb elegantes Plastikgeschirr, legen Plastikplanen auf dem Teppichboden aus und laden jahrelang keine Leute ein, die allergisch auf fliegende Tomatensauce
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