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Papa

Papa

Titel: Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven I. Hüsken
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kleine Mädchen mitgemacht. Zu viel, um angelogen zu werden. Zu viel, um mit falscher Fürsorge überschüttet zu werden.
    Michelle senkte den Kopf, wünschte sich für einen kurzen Moment weit weg. Sie nahm die Hand ihrer Tochter und schaute sie eindringlich an.
    Lilly neigte den Kopf. »Mama! Du machst mir Angst.«
    Michelle zwang sich zu einem Lächeln. »Du brauchst keine Angst zu haben. Im Grunde geht es uns auch nichts an.«
    »Wer hat angerufen?«, bohrte Lilly nach.
    Michelle rief sich das Gespräch ins Gedächtnis zurück. Obwohl es erst ein paar Minuten her war, fühlte es sich an, als wäre die Erinnerung an die entscheidenden Sätze hinter einem Samtvorhang verborgen.
    Was hatte diese Frau Dr. Kramme, die Anstaltsleiterin, gesagt? »Ich möchte nur, dass Sie für alle Fälle Bescheid wissen. Frau Kettler, ich möchte, dass Sie wissen, dass ich Sie rein rechtlich nicht hätte anrufen müssen. Aber inzwischen ist sicher, dass sich Ihr Exmann nicht mehr auf dem Gelände aufhält. Die Angelegenheit ist bereits in den Händen der Polizei. Ich muss nur … also für den Fall, dass Thomas Ried tatsächlich ausgebrochen ist … na ja, Sie sollten darauf gefasst sein, dass er eventuell bei Ihnen aufkreuzt. Aber, und das möchte ich ausdrücklich betonen, die Wahrscheinlichkeit, dass er das tut, ist verschwindend gering. Er ist intelligent genug. Er wird versuchen, unterzutauchen, die Zeit für sich arbeiten zu lassen. Sie sollten dennoch vorsichtig sein. Schließen Sie die Wohnung ab, lassen Sie die Fenster geschlossen. Öffnen Sie nicht die Tür. Halten Sie sich so viel wie möglich in der Öffentlichkeit auf. Wahrscheinlich ist er schon wieder gefasst, wenn Sie zurückkommen.«
    Vielleicht war es besser, die Sache zu ignorieren? Nie wieder würde sie ihr Leben von Tom beeinflussen lassen. Nie wieder würde sie die Kontrolle abgeben. Zu lange kämpfte sie bereits, um ein normales Leben zu führen. Wie viele Rückschläge hatte ihre kleine Familie einstecken müssen? Wie viele Therapiestunden?
    Und dann immer wieder diese Andeutungen, ihr Exmann wäre auf einem guten Weg. Er wäre kein Monster, nur krank. »Ihr Mann wird nicht in ein Gefängnis kommen«, hatte der Richter gesagt, »er wird seine Haftstrafe in einer psychiatrischen Anstalt verbüßen, wo man besser mit ihm umgehen kann.«
    Wie konnte so etwas sein? Wie konnten sie ihn so verharmlosen? Nur wer in sein wahres Gesicht geblickt hatte, konnte beurteilen, wie krank er wirklich und zu was er fähig war.
    Tom war kein Mensch. Ja, er trug die täuschend echte Maske eines Menschen, aber darunter verbarg er das grauenhafte Antlitz eines Dämons.
    Wenn es jemand verdient hatte, weggesperrt zu werden, in eine winzige Zelle ohne Licht bei fauligem Wasser und verschimmeltem Brot, dann war er das.
    Die Hinterbliebenen seiner Opfer würden ihr restliches Leben gestraft sein, und er bekam drei Mahlzeiten am Tag und konnte sich frei in der Anstalt und im angegliederten Garten bewegen – solange er nur die Therapien mitmachte.
    Michelle spürte Lillys Hand auf ihrem Oberschenkel. Die berührte Stelle wurde unerträglich heiß. Unvermittelt stand sie auf. Der Raum schien plötzlich zu klein für zwei Personen zu sein.
    »Die Anstalt hat angerufen. Tom war nicht bei seiner letzten Therapiestunde.«
    Lillys Augen leuchteten. »Dann hat er gegen seine Auflagen verstoßen, ja? Er wird jetzt richtig eingesperrt?«
    Michelles Lippen wurden zu kleinen Streifen. »Er war auch nicht in seiner Zelle.« Michelle wusste, dass er nicht in einer Zelle, sondern in einem Zimmer untergebracht war. Aber es lebte sich einfacher, wenn man sich gewisse Dinge einredete.
    Lilly verzog fragend das Gesicht, was sie noch unschuldiger aussehen ließ.
    »Im Moment wissen sie nicht, wo er sich aufhält«, führte Michelle weiter aus. »Und es kann durchaus sein, dass er schon seit längerer Zeit nicht mehr in der Klinik ist.« Michelles Stimme wurde zu einem Fauchen. »Diese Kramme ist so unfähig, wie sie arrogant ist.«
    In Lillys Augen sammelten sich Tränen. »Was heißt das jetzt? Er ist ausgebrochen?«
    Michelle drehte sich um und ging zum Fenster. Sie musste ihre eigenen Tränen mit Gewalt zurückhalten.
    Der Himmel war wolkenverhangen. Der Regen, der immer wieder die Straßen flutete, hatte scheinbar jegliche Farben aus den Vorgärten gespült. Alles wirkte grau und trist. Allein der Anblick ließ sie frösteln.
    »Wir sollen uns keine Sorgen machen. Die Direktorin meinte, dass er

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