Papa
ein unvergesslicher Tag für sie beide werden.
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Kapitel 6
R obert Bendlin blickte in das leere Zimmer der forensischen Psychiatrie Ruhrbach. Die Wände weiß gestrichen. Rechts ein Bett, links ein Schrank, beides weiß lackiert. Daneben die Nasszelle. In der Mitte des Raums stand ein Tisch. Darauf ein kunterbunter Blumenstrauß, unter dem sich welke Blütenblätter verteilt hatten. Das Fenster geradeaus war vergittert.
Auf Robert wirkte das Zimmer wie die Kulisse eines Films. Nichts deutete darauf hin, dass hier ein Mensch wohnte. Es gab keine persönlichen Gegenstände, keine Bilder an den Wänden oder Poster. Alles war sauber und ordentlich.
Nur der Blumenstrauß schien sich aus einer anderen Realität hierher gestohlen zu haben.
Robert blickte seinen Polizeikollegen, der neben ihm stand, auffordernd an. »Er war dein Fall, Maik. Sag du was.«
Maik Wegener grunzte, was er immer tat, wenn er eine Situation nicht genau einschätzen konnte.
Er war in die Jahre gekommen, was ihm deutlicher anzusehen war als anderen in seinem Alter. Seine Figur hätte ihn daran gehindert, einen Flüchtigen zu Fuß zu stellen, und sein Kopf, den er gerne als karges Land bezeichnete, war inzwischen zu einer Ödnis geworden. Tiefe Furchen in seinem Gesicht wurden zum Teil von dichtem Haarwuchs verdeckt. Mit Holzbein und Augenklappe wäre er als waschechter Pirat durchgegangen.
Er war Roberts ranghöherer Partner, ein alter Hase, den man kaum aus der Ruhe bringen konnte. Maik war wie ein Eisbrecher. Langsam, beständig und äußerst effektiv.
Was sich Robert nicht eingestehen wollte, war die Tatsache, dass er selbst wie eine jüngere Ausgabe seines Partners daherkam. Auch er hatte nur noch wenig Haare, und die paar, die ihm geblieben waren, trug er so kurz, dass sie kaum auffielen. Nur auf den Bart verzichtete er.
»Was meinst du«, fragte Robert, »ist jemand wie Thomas Ried fähig, einen Ausbruch zu planen und erfolgreich auszuführen?«
Maik grunzte, wie Piraten das so tun.
Robert klopfte seinem Kollegen auf die Schulter. »Es ist immer wieder eine Herausforderung, mit dir arbeiten zu dürfen.« Er wandte sich an die Direktorin der Anstalt, Dr. Claudia Kramme, die sie hierher begleitet hatte und nervös neben ihnen ausharrte. »Ich möchte nicht, dass unsere Anwesenheit falsch interpretiert wird. Dies hier ist keine Ermittlung. Wir versuchen nur, ein wenig zu helfen. Zuständig für einen Flüchtigen ist die örtliche Polizeidienststelle, und ich bitte Sie, alle Informationen, die Sie haben, an die Kollegen weiterzugeben. Trotzdem versuchen wir so gut es geht, eine erste Einschätzung zu machen. Immerhin hat mein Partner hier diesen Psychopathen geschnappt.« Ihm entging nicht das nervöse Zucken ihres Mundwinkels. Als Psychiaterin konnte sie offenbar seine äußerst fachkompetente Diagnose nicht teilen. Er ignorierte ihren stillen Protest. »Sie haben uns vorhin erzählt, dass die Tür nicht verschlossen war, als Sie das Zimmer kontrolliert haben?«
Claudia Kramme sah unglücklich aus. Robert fand, sie hatte Ähnlichkeit mit einem Huhn, das man aus dem Wasser gezogen hatte. Ihre langen Haare hingen strähnig über den Schultern. Ihr Gesicht war schmal und lang, als hätte man es in einer Streckbank bearbeitet. Offensichtlich war ihr die Situation unangenehm. Sie antwortete zögerlich und so leise, dass beide Polizisten näher an sie heranrückten.
»Die Türen werden mit einem elektronischen Schloss von einem Zentralrechner aus gesichert. Außerdem schließt es automatisch, wenn die Tür ins Schloss fällt. Der Patient muss dann einen der Pfleger rufen, wenn er heraus will. Beim Rundgang des Wachhabenden fiel auf, dass die Tür nur angelehnt war und Herr Ried nicht in seinem Bett lag.«
Maik blätterte in seinen Notizen. »Peter Hasse war am besagten Abend zuständig für die Kontrolle der Patienten. Habe ich das richtig notiert?«
Die Leiterin nickte.
»Und er ist zurzeit nicht erreichbar?«
»Es war sein letzter Arbeitstag vor seinem Urlaub. Er ist im Ausland. Ich könnte versuchen …«
Maik winkte ab. »Nicht nötig. Im Moment ist es für uns nicht wichtig,
wie
er ausgebrochen ist. Darum kümmern sich dann die Kollegen. Wir sind nur hier, weil ich ihn vor zwei Jahren geschnappt habe und unser Chef es für eine gute Idee hielt.«
»Mein Kollege will damit sagen«, sprang Robert ein, »dass wir hoffen, Ried mit unserer Erfahrung schneller zu finden. Der Ausbruch an sich ist nicht strafrelevant und daher eher
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