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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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bei Stimme.
    Wie Sie dem grausam ehrlichen Photo über diesem Artikel entnehmen können, habe ich mir vor langer Zeit einmal die Nase gebrochen. Als ich die Geschichte meines Autos erforschte, stellte ich fasziniert fest, daß das verbogene Wolseleymaskottchen auf der Kühlerhaube sich bei einem Vorfall, der den Lieferwagen eines Kolonialwarenladens sowie einen Bibliothekar aus Daventry einbezog und sich am 17. Januar 1962 ereignete, auf gleiche Weise verkrümmt hatte, genau an dem Tag, an dem das Schicksal auch mir an den Rüssel ging. Solche Dinge sind kein Zufall.
    Würden diese perfekte Symbiose, dieses wunderbare Zusammenspiel und dieses gegenseitige Vertrauen, würden sich die durch die Vernachlässigung eines ganzen Jahres abgeschwächt haben? Das befürchtete ich am Dienstag, als ich mich erstmals wieder hinters Lenkrad klemmte.
    Das Getriebe des Wolseley erfordert ein Manöver, das meinen älteren Lesern vielleicht noch bekannt ist, das des Zwischengasgebens. Die trübe Welt der modernen Synchrongetriebe und, Himmel hilf, der Automatikwagen läßt dieses Verfahren antiquiert erscheinen, und ich fürchtete, daß Ohr, Hand und Fuß nach der Abwesenheit eines ganzen Jahres ihre magische Verbindung zu den Zahnrädern und Kupplungsscheiben des Wagens verloren haben könnten. Ich hätte mir keine Sorgen zu machen brauchen. Das alte Band besteht nach wie vor, und wir sind eins wie eh und je.
    Nur eines beunruhigt mich noch. Soll ich den Motor auf bleifreies Benzin umrüsten lassen? Was wären in dem Fall die persönlichen Konsequenzen? Müßte ich dann koffeinfreien Kaffee trinken, oder wäre mit noch katastrophaleren Folgen für mein eigenes Antriebssystem zu rechnen? Könnte ich womöglich nur noch alkoholfreien Wein zu mir nehmen? Wenn der Wolseley sich nicht mehr mit Blei vollpumpen darf, wird er nicht gerade erpicht darauf sein, daß ich mich mit berauschenden Getränken vollaufen lasse.
    Nun denn, es sei. Zumindest dürfte mir auf die Weise der morgendliche Kaltstart leichter fallen.
    Im November kriege ich meinen Dichterschein zurück. Ich hatte Schreibverbot bekommen, als ich eine Zäsur zu schnell genommen, bei einem Enjambement gehalten und unter dem Einfluß von Auden gestanden hatte. Soll nicht wieder vorkommen.

Zoostunde
     
    In meinen Salattagen, als mein Urteilsvermögen noch grün und mit einer leichten Vinaigrette des Glaubens angemacht war, bestand meine Lieblingsbeschäftigung darin, meine kleine Hand vertrauensvoll in die meiner Mutter zu legen und Richtung Zoo abzuzwitschern. Die Aussicht auf Pandas und wollige Affen übte einen unglaublichen Sog auf mich aus. Dann jedoch, in meinen Puddingtagen, als mein Urteil sich verfestigt hatte und mit dickem Sirup des Zweifels übergossen war, begann ich mir ernsthaft Sorgen zu machen. Würden künftige Generationen nicht womöglich voller Erstaunen und Widerwillen auf unsere gleichgültige Bereitschaft zurückblicken, mit der wir die Einkerkerung von Tieren in Kauf nehmen?
    Die ganze Frage der Verfeinerung moralischer Werte ist hochinteressant. Vor zweihundert Jahren hielten sich absolut tugendhafte, höfliche und rücksichtsvolle Menschen Sklaven, besaßen Anteile an Zuckerrohrplantagen, auf denen ausschließlich Sklaven schufteten, und trugen Baumwolle, die, wie sie ganz genau wußten, von Sklaven gepflückt worden war. Hätte man ihnen erklärt, daß sie an einer der übelsten und unmenschlichsten Sitten teilhatten, die man sich nur vorstellen kann, sie unterstützten und verlängerten, sie hätten einen für verrückt erklärt.
    Vor nicht ganz so langer Zeit hätten unsere Großväter oder Urgroßväter voller Erstaunen und Widerwillen aufgeschnaubt, wenn man ihnen mitgeteilt hätte, der Hälfte der Bevölkerung das Wahlrecht zu verweigern, strafe die Behauptung Lügen, Britannien sei eine Demokratie. Wer für das Frauenstimmrecht zu Felde zog, galt als hysterisch, Frauen hatten keine Ahnung von Politik, und man dürfe ihnen niemals, niemals das Wählen erlauben, so lautete die Argumentation der meisten Männer. Hätte man ihnendann gesagt, daß sechzig Jahre später Britanniens Premierminister mit der längsten Amtszeit eine Frau sein würde, hätten sie wahrscheinlich nervöse Zuckungen bekommen.
    Dennoch waren unsere Großväter nicht böse oder gar zu dumm, die moralischen Argumente zu begreifen, die uns heute selbstverständlich sind. Moral ist schließlich auch nur Gewohnheit, und uns ist eben die Vorstellung geläufig, daß es falsch ist,

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