Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
Worte gar nicht lesen, sondern statt dessen auf einen leeren weißen Fleck starren, der genug Platz für 800 Worte hätte, aber nur die Zeile »Stephen Fry ist im Urlaub« enthält, dann wissen Sie, daß die Redaktion des›Daily Telegraph‹ ihre jungfräulichen Rockschöße gerafft und entschieden hat, ihr Recht auf Unterdrückung und Zensur auszuüben, denn der Artikel, den Sie nicht lesen, ist ein furchtloses Stück investigativen Journalismus, das die Usancen, Praktiken und Denkweisen besagter Redaktion aufdeckt, und sehr wahrscheinlich operiert man dort lieber hinter einem Schleier der Geheimniskrämerei, als zuzusehen, wie ihre Methoden in der eigenen Zeitung gnadenlos ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt werden.
Ich beginne mit einer Frage. Kommen Sie aus Worcestershire? Einige von Ihnen, die dies lesen (oder voller Verwunderung auf den leeren weißen Fleck starren, wo dies stehen sollte), hausen bestimmt in der Marsch dieses unschätzbaren Shires. Ich frage mich, ob Sie etwas eigenartig sind? Sind Sie prüder als normal? Gibt es etwas in den Wassern von Droitwich, den Teppichen von Kidderminster oder den weiten, lächelnden Fluren von Evesham, das Ihnen einen Hauch von zimperlichem Puritanismus verleiht? Da ich unter den weiten Himmeln Norfolks lebe, war mir noch nie aufgegangen, daß dies der Fall sein könnte, aber vielleicht schmeichelt es Ihnen zu erfahren, daß Größe oder eben Beschränktheit Ihres Verstandes jenen ein Springquell beständiger Sorge ist, deren Aufgabe die Kontrolle des Inhalts Ihrer Tageszeitung ist.
Lassen Sie mich das erklären. Heute nachmittag habe ich das Feature-Büro angerufen. Sie werden angesichts dieser Metonymie oder Synekdoche verstehen, daß ich noch nicht so weit heruntergekommen bin, daß ich tatsächlich versucht hätte, mit einem Zimmer in Konversation zu treten, sondern daß ich pflichtbewußt eine Redaktionsassistentin anrief, um sie über das Thema meines hebdomadalen Tributs in Kenntnis zu setzen. Wörter wie »Synekdoche« oder »hebdomadal«, die mein Englischlehrer in der Schule immer »Oberstufenwörter« nannte, benutze ich nicht aus demperversen Wunsch nach Polysyllabizität, sondern um Sie, besonders jene unter Ihnen, die in Worcestershire leben, auf den lähmenden Schock der Obszönitäten vorzubereiten, mit denen ich gleich die Luft verpesten werde.
Ich teilte der Redaktionsassistentin mit, ich plante ein Stück über Saddam Hussein und die gegenwärtigen Kämpfe am Golf. Mir war aufgefallen, daß es kein Wort gab, das das Verbrechen der gewalttätigen Grenzverletzung eines souveränen Staats abdeckte, und daß man vielleicht das Wort »Saddamie« prägen sollte. Die Vereinten Nationen könnten dies in einem Artikel festhalten, der einem Land ausdrücklich untersagte, ein anderes mutwillig zu saddamisieren, und der Saddamiten strikte Sanktionen androhte.
Aufmerksam lauschte die Redaktionsassistentin. »Ja«, sagte sie. »Ich habe bloß ein bißchen Angst vor der Reaktion der Leser in Worcestershire.«
Ich zuckte zusammen wie ein Lachs am Angelhaken und ließ den Hörer fallen. Warum hatte man mir nie von den Lesern in Worcestershire und ihren speziellen Bedürfnissen erzählt? Ich wußte, wie angeekelt das Stadtvolk in Tunbridge Wells sein konnte, und mir war schon aufgefallen, daß Colonel und Mrs Chichester mit modernem Theater nichts am Hut hatten. Weithin bekannt ist, daß »Wutentbrannt« aus Minchinhampton die Schnauze gestrichen voll davon hat, daß man
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als Verb benutzt, ebenso daß »Fuchsteufelswild« aus Carshalton sauer ist, daß die pazifische Auster ihren Siegeszug auf Kosten der einheimischen aus dem guten alten Colchester angetreten hat, aber ich muß gestehen, daß Worcestershires Probleme mir vollständig entgangen waren.
Wenn die Befürchtungen des Feature-Büros gerechtfertigt sind, man sich jedoch aus einem lobenswerten Sinn für Liberalität heraus entschlossen hat, diesen Artikel zu veröffentlichen, dann hat das General Hospital in Worcesterwomöglich schon eine ganze Menge Anrufe rot angelaufener Bürger bekommen, die nach Kreislaufmitteln brüllen, dann hat die Landgendarmerie vielleicht schon eine hochmobile Spezialeinheit zusammengestellt, die gegen die vor Zeitungskiosken aufgestellten Streikposten durchgedrehter Dörfler aus Broadway eingesetzt wird, und dann sind bei der Freiwilligen Feuerwehr vielleicht schon Dutzende von Anrufen eingegangen, sich um außer Kontrolle geratene ›Telegraph‹-Scheiterhaufen zu
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