Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
kümmern, die von spontanen, erzürnten »Nieder mit dem Schund«-Aktionskomitees in Dumbleton errichtet wurden.
Sollte dies der Fall sein, tut es mir herzlich leid; so leid, daß ich einen Besen fressen könnte.
Ich glaube, es wird Zeit, daß Menschen aus Worcestershire den ›Telegraph‹ wissen lassen, daß sie weit mehr verkraften können, als ihnen bislang zugemutet wurde. Zeit auch, daß Menschen aus anderen Counties ihre Meinung hören lassen. Seit unzähligen Jahren lesen Sie Sachen in dieser Zeitung, die zensiert worden sind, jawohl: zensiert! Verfälscht, verstümmelt, verhunzt, gestrichen, abgeschwächt, erstickt, unterdrückt, behindert, gefesselt und geknebelt, und all das einzig zum Wohle der Sensibilitäten Worcestershires. Wahrscheinlich wußten Sie gar nicht, daß William Deedes’ Skript oftmals so ausfallend ist, daß es auf Asbest geschrieben werden muß, daß Worsthorne und Heffer als Gilbert & George der modernen Literatur verschrien sind und daß Hugh Montgomery-Massingberds Originalbeiträge nur von jenen gelesen werden dürfen, deren Gesundheit der Betriebsarzt des ›Telegraph‹ für widerstandsfähig befunden hat. Natürlich wußten Sie das nicht, denn ihre Schriften sind immer schon bereinigt, gesiebt und gefiltert, einzig und allein zum Gedeihen Worcestershires.
Ich aber sag’s ihm, Worcestershire: Es kann mich –. Einige von uns lassen sich keinen Maulkorb umlegen.
Wieder auf Achse
Der Dienstag, der just verging, unbeklagt und ohne Fasten wie fast jeder Dienstag außer dem Fastnachtsdienstag, der per definitionem, nehme ich an, fastend verbracht wird, war gewissermaßen ein roter Tag in Frys Kalender. Genaugenommen hat mein Kalender, wie heutzutage der eines jeden Flaneurs mit ein bißchen Selbstachtung, Akkus und läßt keine roten Schriften zu. Aber in der heutigen Freizeitparkwelt ist das natürlich getrampolint wie bungeegesprungen, und wenn mein elektronischer Sekretär auch keine rot angestrichenen Tage kennt, so kann er mir doch die Uhrzeit in Tirana sagen und Zu-erledigen-Listen aufstellen. Ergo wurde Dienstag, der 21. August, als der Tag auserkoren, an dem ich das Recht zurückerhielt, zu Londons wachsendem Verkehrsproblem beizutragen.
Dreihundertfünfundsechzig Tage zuvor hatten die Richter des Zweiten Schiedsgerichts in Bow Street, London, begleitet von Drohgebärden und strengem Naserümpfen, mir fünfhundert Pfund, meinen Führerschein und eine ganze Menge Selbstachtung abgeknöpft.
Für Autofahrer ist ein Jahr eine lange Zeit. In den letzten Wochen, als das Ende des Banns sich in Sicht schleppte, hat der Gedanke mich nicht losgelassen, daß ich das Fahren verlernt haben könnte.
Mein Lieblingswagen, den ich das ganze letzte Jahr über in der Garage gehütet habe, ist eine attraktive Wolseley 15/50 Limousine, von tiefem Kastanienbraun, die nach Bakelit und einem untergegangenen England mit glänzenden Bürgersteigen, Inspektoren von Scotland Yard in Regenmänteln und, aus unerfindlichen Gründen, Valerie Hobson und Tide-Waschmittel riecht. Der Wolseley ist fast genauso alt wie ich, er wurde am 23. August 1957 angemeldet. Ich wurde am Tag darauf um sechs Uhr früh geboren, also istheute, was Sie sich vielleicht für die Zukunft merken möchten, mein Geburtstag.
Die Übereinstimmung in unser beider Alter hat zu einer schon voodooistischen Beziehung zwischen dem Wolseley und mir geführt. Wenn ich um die Taille ein paar Zoll zunehme, scheinen sich auch seine Kotflügel und Türleisten leicht auszubeulen. Wenn ich ohne ersichtlichen Grund ständig stolpere und hinfalle, lautet die Erklärung, daß seine Hinterreifen nicht mehr genug Profil haben und ausgewechselt werden müssen. Bei den seltenen Gelegenheiten, wo ich ein Bad nehme, schaue ich beim Abtrocknen aus meinem Schlafzimmerfenster und sehe, daß die alte Kiste unten auf der Straße genauso glänzend und sauber ist wie ich.
Vor einigen Jahren trat ich in einem Theaterstück im West End auf und verlor die Stimme. Schauspielerkollegen dachten, ich hätte in der inzwischen legendären Kartoffelszene meine Stimmbänder überanstrengt, und nahmen sich meiner mit törichten Vitaminfläschchen und homöopathischem Quatsch an, doch eine schnelle Kontrolle zeigte mir, daß sich ein Kabel direkt hinter dem Schalter gelockert hatte und die Kontakte an dem Kabel unterbrach, das vom Lenkrad wegführte. Deswegen funktionierte die Hupe nicht mehr. Zwei Minuten mit dem Schraubenzieher, und beide waren wir wieder perfekt
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