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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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lag unter vierzig. Sacks fiel außerdem ein unbedeutender kleiner Magentumor auf, der aber nicht Ursache seines wie eingefrorenen Zustands war. Er diagnostizierte eine Art Hormonmangel und injizierte ein entsprechendes Gegenmittel. In kürzester Zeit war der Mann wieder auf den Beinen; quicklebendig, gesprächig, wach und von seiner Siebenschläfrigkeit geheilt.
    Drei Wochen später starb er an Magenkrebs. Der schlafende Tumor war ebenfalls erwacht.
    Der ›New Yorker‹ verglich den Fall dieses Mannes mit dem großen sowjetischen Bären, erstarrt im Eis einer ineffizienten politischen Hegemonie, katatonisch verlangsamt durch die Bürokratie, eine nicht funktionierende Planwirtschaft und hoffnungslos verstopfte Verteilungskanäle. Die Krebsgeschwüre des Nationalismus waren lange Zeit genauso eingefroren gewesen wie der Rest des Systems. Sobald die Gegenmittel Demokratie und Freiheit verabreicht worden waren, erwachten diese bösartigen Geschwulste zusammen mit dem Rest des Körpers. Das sei natürlich kein Grund, argumentierte die Zeitschrift, die Therapie abzubrechen, aber, herrjemine!, wir sollten ihnen besser die Daumen drücken.
    Inzwischen ist sichtbar geworden, wie genau und prophetisch diese These war. In kurzer Zeit werden Slowenen und Kroaten, Slowaken und Serben, Armenier, Aserbaidschaner und Georgier, Sibirier und Kamtschadalen, Anatolen, Letten, Pommern, Bosnier und Herzegowinier, Kleinrussen, Ruthenen, Ukrainer, Weißrussen und Moldau-Walachen miteinander um Grundstücke in der Londoner Innenstadt wetteifern, um dort Botschaften zu bauen. Die Immobilienmakler werden aus ihrem Eis auferstehen und sie willkommen heißen, die Grundstückspreise werden explodieren, und die Konversation auf Londoner Abendgesellschaften wird zurückkehren zum Thema Immobilien.
    Und das ist der Lauf der Welt.

Bildung ist eine wunderbare Sache
     
    Als ich jung war und die Welt noch so frisch und knackig wie ein Eisbergsalat, stand ich vor der Frage, was ich zwischen Schule und Universität anfangen sollte. Sollte ich inWaughs und Audens Fußstapfen treten und mich einer Prep School als Junglehrer andienern, oder sollte ich mich wie andere Altersgenossen tapfer ins Ungewisse stürzen und mit nichts als zwanzig Pfund und einer Schafschere in der Tasche nach Australien aufbrechen? Vielleicht sollte ich in Bordeaux Trauben stampfen oder in Wisconsin jene Rinder treiben, die getrieben werden mußten? Da das erlesene, tapfere Blut aller Frys durch meine Adern pulsiert, wählte ich natürlich die Prep School.
    Dort erfuhr ich, daß sich die Dinge seit meiner eigenen Schulzeit verändert hatten. Elterliche Mitbestimmung erhob ihr häßliches Haupt, und glauben Sie mir, es gibt keine häßlicheren Häupter. Der traditionelle Tag der offenen Tür, an dem Eltern durch Klassenzimmer gescheucht wurden, die auf einmal so blitzblank waren wie Hauptstraßen bei königlichen Stippvisiten, groteske Kunstwerke an den Wänden bewundern mußten, in der Turnhalle Tee und klitschige Gurken-Sandwiches in die Hand gedrückt sowie die Gelegenheit bekamen, den Lehrern ein paar Fragen zu stellen, war durch elterliches Gouvernement, regelmäßig tagende Lehrer-Eltern-Ausschüsse und jederzeit freien Schulzutritt für alle Eltern ersetzt worden.
    Elterliche Mitbestimmung ist heute ein wichtiger Faktor im Wahlkampf. In einer Welt, deren Politik über mehr Statuten verfügt als das British Museum über Statuen, wird dem Elternstatut in der laufenden Konferenzsaison an jedem Rednerpult Platz eingeräumt.
    Das Prinzip von Statuten, wie ich es verstehe, soll die Rechte des Konsumenten stärken, des »Nutzers« der jeweiligen Dienstleistung. Das Patientenstatut erlaubt Ihnen, Ärzten zu sagen, was sie machen sollen, das Schokoladenstatut sichert Ihnen Entschädigung für den Fall zu, daß Sie sich mit einem Marsriegel den Magen verdorben haben, das Wetterstatut gewährt Ihnen das Recht, Gottvaterzu verklagen, wenn ein Sturm Ihr Dach abdeckt. Merkwürdigerweise gibt es kein Statutenstatut, das dem Wähler das Recht gäbe, einer Regierung eine Geldstrafe dafür abzuverlangen, daß sie uns mit lächerlichen Gesetzesvorlagen überhäuft und Benimm und gesunden Menschenverstand durch opportunistische Parteiprogramme und hochtrabende Gesten ersetzt.
    Aber das Elternstatut ist und bleibt das unsinnigste aller Diplome und Vierwochengarantien, mit denen Politiker uns dazu einladen, unser Leben zu verbessern. Denn niemandem scheint aufgefallen zu sein, daß
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