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Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)

Titel: Paperweight: Literarische Snacks (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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indem sie mit ihrer Nase einen Knopf drückt. Diese Elektrode setzt dann große Mengen Enkephaline in den Blutkreislauf des Nagetiers frei. Diese Enkephaline oder Endorphine verschaffen Lustgefühle – ganze Ströme reinen, überwältigenden Vergnügens. Endorphine werden in uns ausgeschüttet, wenn wir essen, wenn wir sorgfältig die Anweisungen vonZeitschriften wie dem ›Cosmopolitan‹ befolgen und zum Orgasmus kommen, wenn wir einem Baby in die Augen schauen, wenn wir von einem Freund gekitzelt oder gestriegelt werden. Sie sind das Gegenstück zum Schmerz und spornen uns an, gesund zu essen, uns mit den richtigen Partnern zu paaren, wehrlose Säuglinge zu beschützen und auf Mutter Naturs bewährte Weise Haare zu spalten.
    Alkoholiker spüren einen Endorphinstoß, wenn sie den ersten Gin des Tages schlürfen; ich nehme an, Lord Hanson bekommt einen anständigen Kick, wenn er die ersten 15 Prozent eines angeschlagenen Unternehmens kauft, und es besteht wohl kein Zweifel daran, daß Herausgeber von Boulevardblättern hohe Endorphinmargen erreichen, wenn sie auf ihren Schreibtischen das Photomaterial ausgebreitet sehen, das beweist, daß die Frau eines Cricket-Nationalspielers als Prostituierte angefangen hat. Andere erschüttern vergleichbare Flutwellen des Entzückens, wenn sie Konzerte von Motley Crue beim Monsters of Rock Festival am Castle Donnington hören, Brancusi-Skulpturen betrachten, Alastair Sims Augenbrauen in voller Entfaltung sehen oder, mein persönliches Gift, Wagner hören.
    Das einzige wirkliche Äquivalent dieser Euphorie-Peptide, das die Menschheit je ersonnen hat, stammt vom Mohn. Opiate können auf dieselbe Weise Vergnügen bereiten und Schmerz unterdrücken – sie werden, wie Mediziner das ausdrücken, von denselben Rezeptoren im Gehirn gebunden. Wissenschaftler arbeiten seit Jahren daran, unsere körpereigenen Endorphine chemisch zu synthetisieren, um eine Droge ohne die unerwünschten Nebenwirkungen – oder Kontra-Indikationen, wie diese Schamanen das euphemistisch umschreiben – von Heroin oder Morphium zu produzieren. Die weißen Mäuse lehren uns gleichwohl, daß dieser Forschungsansatz Unsinn ist.
    Wenn sie nämlich die Wahl zwischen einem Napf mit nahrhaftem Futter und einem Knopf haben, der auf Druck hin Endorphine ausschüttet, entscheiden sich die weißen Mäuse jedesmal für den Knopf. Sie sitzen permanent am Abzug ihrer Elektroden, träumen, wälzen sich und schäumen vor reiner Lust, bis sie buchstäblich verhungert sind.
    Puritaner mögen dies als Indiz dafür deuten, daß die Fähigkeit des Menschen, neue lustvolle Dinge wie Wein, Kunst, Drogen, Sport und Stellung Nr. 42 aus dem Kamasutra zu kreieren, eine Perversion des natürlichen Lustprinzips ist, die sich von seiner ursprünglichen Überlebensfunktion so weit entfernt hat, daß sie als Teufelswerk anzusehen ist. Es kommt der Tag, mahnen sie uns mit buschigen Augenbrauen unter hohen konischen und hochkomischen Puritanerhüten, an dem wir die Knöpfe nicht mehr für weiße Mäuse, sondern für uns selbst anfertigen, und wir werden die Kreaturen sein, die vor Lust schäumen auf Kosten von Mühsal, Schuften, Gotteslob und Kartoffelessen. Die weißen Mäuse werden sich derweil hinter unseren gekrümmten und schnurrenden Rücken von dannen machen und fortfahren, die Welt in Gang zu halten, was sie dem Schriftsteller Douglas Adams zufolge sowieso schon immer getan haben.
    Vielleicht erklärt das, warum unsere Herren so gegen die BBC wüten und rasen. Ein Fernsehgerät hat schließlich Knöpfe, die nach Ansicht zahlreicher Zeitgenossen viel zuviel gefährlich passives, süchtig machendes Vergnügen ausstrahlen. Wenn seltsame Politiker und Bären von sehr geringem Verstande der BBC dafür zürnen, daß sie die alte Garde der Sowjetunion »rechts« oder »konservativ« nennen, dann hat das natürlich nichts mit einem Streit zu tun, den sie längst verloren haben: so doof sind die schließlich auch nicht. Schließlich hat sogar Präsident Bush den Staatsstreich im Kreml in der letzten Woche rechts genannt;auch amerikanische, französische, deutsche, italienische und nicht zuletzt russische Zeitungen belegen das reaktionäre Element in der sowjetischen Gesellschaft mit den Begriffen »konservativ« und »rechter Flügel«. Nein, in Wirklichkeit gehört diese simulierte Stupidität zu einer Verschwörung, die das Fernsehen selbst untergraben will. Daher auch das neue ITV-System, das extra ersonnen wurde, um das Lustempfinden bei

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