Paperweight: Literarische Snacks (German Edition)
für die Schrecken, die diese Themen hervorrufen konnten. Päderastie hingegen, hoffte ich, würde noch ein paar Ganglien zum Erzittern bringen.
Sollten Sie in Erwägung ziehen, den sorgfältig gewobenen Subtext des Stückes in einem Essay über Kunst oder Theater für Ihren Gemeindeanzeiger zu analysieren, so könnten Sie beispielsweise den Namen Dominic auf das lateinische
dominus
(oder schottisch
dominie
) zurückführen, und beachten Sie auch den anagrammatischen Zusammenhangvon Rupert und lateinisch
puer
, von dem wir – und keineswegs zufällig, wie Sie mir zustimmen werden – unser »pueril« herleiten. Auch fällt Ihnen vielleicht auf, daß Rupert die Initialen »R. C.« hat und daß ausgerechnet ein Dominikaner in der zweiten Hälfte des Stückes Dominics Betrug auf die Schliche kommt.
Vielleicht kommt es in unseren hysterischen Zeitläuften gerade recht, daß das Stück augenscheinlich die Sache des Islam verficht, ebenso wie die einiger aufsehenerregender Praktiken, die in muslimischen Ländern noch gang und gäbe sind. Von solchen Dingen verstehe ich nichts. Ich weiß bloß, daß ich mich königlich amüsiert habe, als ich das Stück geschrieben und in Cambridge und Edinburgh darin aufgetreten bin: Ihnen wünsche ich heute abend ein Viertel dieses Vergnügens.
Valete
.
Latein! oder Tabak und Knaben
Ein Stück in zwei unziemlichen Akten von Stephen Fry
DRAMATIS PERSONÆ
MR DOMINIC CLARKE,
Lehrer Mitte Zwanzig
MR HERBERT BROOKSHAW,
Lehrer Ende Fünfzig
BARTON-MILLS
CARTWRIGHT
(Deponens und Deponent)
CATCHPOLE
ELWYN-JONES
FIGGIS
HARVEY-WILLIAMS
HOSKINS
(fehlt)
HUGHES
KINNOCK
MADISON
(auf dem Weg nach Eton)
POTTER
SMETHWICK
(bäh)
SPRAGG
STANDFAST
WHITWELL
(Tolpatsch)
Handlungsort des Stückes ist Chartham Park Preparatory School für Knaben, Hampshire, England. Handlungszeit ist die Gegenwart. Das Stück kann durch eine Pause in zwei Akte unterteilt werden. Spielzeit ohne Pause beträgt etwa eine Stunde.
Menschen, die mit dem Prep-School-System weniger vertraut sind, mag der Hinweis dienlich sein, daß eine Prep School eine Privatschule für Kinder im Alter von 7 bis 13 ist und diese Individuen auf eine Public School vorbereitensoll (wobei eine Public School wiederum eine
Privatschule
für ältere Schüler ist: Rugby, Winchester, Eton usw. werden »Public« Schools genannt). Im Alter von dreizehn Jahren machen Prep-School-Knaben eine Aufnahmeprüfung, die als
Common Entrance
, CE, bekannt ist, eine allgemeine Prüfung, von deren Ergebnissen es abhängt, ob man von der Public School akzeptiert wird. Einige Public Schools machen ein sehr gutes Abschneiden im CE zur Bedingung (ab 65 Prozent aufwärts), andere geben sich mit intellektuell weniger bemittelten Jungen zufrieden. Bei dem im Stück erwähnten Ampleforth handelt es sich um eine berühmte katholische Public School in Yorkshire.
I. Akt
Ein Klassenzimmer. Die Bühne ist das Lehrerpodium, der Zuschauerraum dient als eigentliches Klassenzimmer, wo die vom Publikum gespielten Schüler sitzen. Das Bühnenbild ist schlicht gehalten. In der Mitte ein Tisch. Dahinter ein Stuhl und dahinter die Tafel. Irgendwo steht ein zweiter Stuhl. Es gibt einen Eingang, eine Tür, ob links oder rechts, spielt keine Rolle. Auf dem Tisch liegen ein Stapel Aufgabenhefte, eine Kreideschachtel, ein Tafelschwamm, ein Notenbüchlein, ein Aschenbecher und eine Schachtel Sobranie »Jasmine« oder eine vergleichbar feminine Marke. Eine gute Idee wäre, einige Stunden vor Beginn der Aufführung im Auditorium gekochten Kohl und gebratene Leber mit Zwiebeln aufzuwärmen, um die Nasenlöcher sofort mit dem authentischen Schulgeruch vertraut zu machen. Davon abgesehen sind alle Requisiten oder sonstige Mittel erlaubt, die die Atmosphäre einer leicht verfallenen, traditionellen englischen Prep School herstellen.
DOMINIC CLARKE
sitzt am Tisch, bevor und während das Publikum hereinkommt. In fliegender Eile korrigiert er Aufgabenhefte, ungeduldig und mit Kugelschreibern in drei verschiedenen Farben. Er ist ein junger Mann, dünn und schwächlich. Er trägt eine graue Hose, einen rostbraunen Pullover mit V-Ausschnitt und ein grünes Kordjackett, das über der Lehne seines Stuhls hängt. Während des Unterrichts ist seine Stimme klar und scharf, im normalen Gespräch jedoch jünger. Seine Arme verfügen erst unterhalb der Ellenbogen über eine gewisse Gelenkigkeit, die Oberarme preßt er meistens auf verrenkte, knochige Weise an den
Weitere Kostenlose Bücher