Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Papierkrieg

Titel: Papierkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
Vom Netzwerk:
Ihre vorherige Frage
nach einer finanziellen Regelung mit beantwortet.«
    Ich zuckerte meinen Kaffee ausgiebig, manchmal mag ich ihn
picksüß. Wenn er schwarz und stark ist und beginnt, eine leicht sirupartige
Konsistenz anzunehmen. Anschließend rührte ich lange um. Als der Löffel fast
stecken blieb, trank ich an.
    Meyerhöffer hatte seinen Kaffee mittlerweile auch geleert und
winkte nach einem neuen. Aus seiner Windjacke holte er ein silbernes
Zigarettenetui, öffnete es, nahm eine heraus und steckte sie sich zwischen die
Lippen. Er verstaute das Etui und zündete sich die Zigarette mit seinem
schwarz-goldenen Feuerzeug an. Irgendwie hatte er vergessen, seinen Auftritt
mit den Parafernalien seiner Nikotinsucht abzustimmen.
    »Also hat das Ganze mit meiner Tochter nicht das Geringste zu
tun?«
    »Naja, das frage ich Sie. Warum war Ihre Tochter in dieser
Wohnung, wen könnte sie kennen?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Dann werde ich sie selbst fragen müssen. Sie wird’s ja wohl
wissen.«
    »Schlagen Sie sich das aus dem Kopf. Mit meiner Tochter werden Sie
sicher nicht sprechen.«
    »Das liegt aber in Ihrem Interesse. Schließlich wollen ja Sie,
dass es nicht noch irgendeine Nachgeburt gibt. Das kann ich erst ausschließen,
wenn ich weiß, wonach und vor allem bei wem ich suchen muss.«
    »Das denke ich nicht. Ich denke, Sie sollten sich ein bisschen
anstrengen, dann wird das was. So«, er blickte auf seine wunderbare Golduhr mit
schwarzem Blatt, dämpfte seine Zigarette aus und erhob sich, »ich habe mit
meiner Frau einer gesellschaftlichen Verpflichtung Genüge zu tun. Und ich muss
mich vorher noch umkleiden.« Mit Grausen sah er an sich herab. Er hatte sich
das Outfit sicher extra für diese Gelegenheit angeschafft und würde es zu Hause
sofort verbrennen.
    »Sie hören von mir.«
    Er verließ das Lokal. Zahlen ließ er mich.
Auch eine Art, reich zu werden. Ich bestellte mir noch einen Mokka, und sah den
beiden 50ern ein paar Sekunden beim Carambol zu. Inzwischen hatte sich ein
dritter hinzugesellt. Auch um die 50, auch bierbäuchig und auch mit Stirnglatze.
Er spielte aber nicht, sondern kiebitzte nur. Seine Kommentare würzte er mit
Bezugnahmen auf Ereignisse und Prominente. »Geh Ottl, dei Spüboilln hat jo no
weniger Effet als die Corner vom Ivanschitz«, gab er nach einem sehr schweren,
tadellos ausgeführten Stoß, der die Bälle aus schwieriger Lage in einer Ecke
konzentrierte, zum Besten. Nachdem dessen Kontrahent eine Neunerserie geschafft
hatte, meinte er nur: »So wie du spüst, Karli, qualifizierst di als Kanzler,
weil du kannst ja gor nix.«
    Die drei würden sicher den Rest des Tages so verbringen. Also
holte ich meinen iPod heraus, Meyerhöffer hatte mich auf einen Song gebracht.
    Robby Krieger stieg mit einem Stakkato-Blues in Open-G-Stimmung
ein, unnachahmlich trocken gespielt, Ray Manzarek malte ein paar Organ-Obertöne
dazu und Jim stieg ein: ›Wild child, full of grace, savior of the human race
…‹. Nach dem zweiten Vers variierte die Brigde, Organ und Gitarre jaulten
orgiastisch, und Jim sang sich mit den Worten ›staring into a hollow idol’s
eyes ‹ in eines der eindrucksvollsten Breaks der Musikgeschichte hinein.
Egal, ob der Song nun von einer Stripperin, dem Mescalinkaktus oder einem
dionysischen Mysterium kündete, ich beschloss, Aronofsky anzurufen.
    Nachdem das Telefon eine Weile lang geläutet hatte, meldete sich
eine verschlafene Stimme. »Raymond Aronofsky. Wer stört?«
    »Guten Tag.«
    »An diesem verschissenen Tag ist gar nichts gut.«
    »Okay, sind Sie heute in Ihrem Büro?«
    »Ich bin immer in dem Rattenloch, schließlich wohne ich da auch.«
    »Kann ich in einer halben Stunde bei Ihnen sein?«
    »Ob Sie können, weiß ich nicht, ich bin da.«
    Er hatte aufgelegt. Sympathischer Kerl. Ich zahlte und ging.
     

VIII
    Aronofskys
Büro war im dritten Bezirk, in der Geologengasse. Das ist in unmittelbarer Nähe
des Hauses, das Ludwig Wittgenstein für seine Schwester geplant und entworfen
hat. Heute ist irgendeine Botschaft darin untergebracht. Ich glaube, die
Bulgarische.
    Zurück zu Aronofsky. Ich fand das Haus offen und die Tür zu seinem
Büro angelehnt, klopfte und trat ein. Aronofsky saß über eine Patience gebeugt
im Dunkeln. Die Jalousien waren heruntergelassen und Licht hatte er keines
angemacht. Außerdem schien es in der Wohnung noch kälter zu sein als draußen,
wenn das möglich war. In der Luft lag eine

Weitere Kostenlose Bücher