Papierkrieg
Wirtschaftssystems.
Da ich ohnedies schon nass war, blieb ich im Regen stehen und
beobachtete das Schauspiel, an dem Leibniz seine Freude gehabt hätte, ein
Weilchen.
Als es mir zu viel wurde, holte ich mein Handy raus und schickte
Dittrich eine SMS mit Ort und Zeit des Termins. Wenige Sekunden darauf piepste
mein Handy. Nur ein Wort war zu lesen: »Einverstanden.«
In der trostlosen Umgebung der grau verregneten Großstadt war ich
der Einzige, der lächelte.
Kapitel 5
I
Es
regnete noch immer und ich ging die Pouthongasse hinunter, am Café Mostar
vorbei. Es war zwar erst kurz nach vier, aber aus der Jukebox röhrte bereits
irgendein Balkansound, die Gläser waren voll und es wurde heftig gefeiert.
Muskulöse Tschetniks und leicht bekleidete Mädchen erfreuten sich am
kombinierten Rausch von Alkohol und Pheromonen.
Ich ließ das pralle Leben hinter mir und bog
in die Felberstraße ein. Mein Körper sehnte sich nach einer heißen Dusche und
mein Geist nach ein bisschen Ruhe bei einer Kanne Tee, Mozart und ein wenig
THC. Ich hatte schon den Schlüssel in der Hand, als mir eine wohlbekannte
Stimme aus dem Hintergrund klar machte, dass daraus vorläufig nichts werden
sollte.
»Gruezi, Kleiner. Komm stig i, der Boss wet a kle mit dir
schwätza.«
Da Widerworte zwecklos waren, folgte ich Fred über die Straße, wo
er den mitternachtsblauen Bentley Arnage RL von Bender geparkt hatte. Er hielt
mir die Tür auf und ich stieg ein. Kaum saß ich im Ledersitz, hatte Fred den
Motor angeworfen und sich in den ruhig fließenden Wochenendverkehr eingeordnet.
Das Armaturenbrett war aus echtem Holz, ebenso der Ganghebel. Das
Leder der Sitze war ein halbes Grad dunkler als das der Dach- und
Seitenpolsterung. Der V8 lief leise und gleichmäßig und verriet große Kraft.
Leider saß ich auf dem Beifahrersitz, hinten im Fond schien alles noch eine
Spur weicher und geräumiger zu sein. Doch der Platz war ausschließlich für den
Alten bestimmt.
Wir fuhren hinunter zum Gaudenzdorfer Gürtel, wo Bender den
zweiten Stock eines Mietshauses am Haydnpark in der Siebertgasse bewohnte.
Unnötig zu sagen, dass ihm das gesamte Haus gehörte. Vielmehr gehörte ihm
praktisch das ganze Viertel zwischen Steinbauergasse und Flurschützstraße.
Freds Tonfall hatte mir klar gemacht, dass er rein dienstlich
unterwegs war, für persönliche Rücksichten war da kein Platz. Deswegen war es
meinerseits auch gänzlich unnötig, Fragen zu stellen. Er würde sie ohnehin
nicht beantwortet haben. Bis jetzt hatte ich beim Alten eine gewisse
Narrenfreiheit genossen, aufgrund eines Amalgams aus Sympathie und Dankbarkeit.
So wie sich Fred benahm, schienen diese Zeiten vorbei zu sein. Das beschäftigte
mich doch einigermaßen, schließlich gibt es angenehmere Lebensabschnitte als
diejenigen, welche man auf der Abschussliste von Bender verbringt. Auch wenn
sie meistens nur recht kurz sind.
Ich war mit meinen Gedankenspielereien nicht weit gekommen, als
Fred auch schon gekonnt rückwärts einparkte, was bei der Größe des Wagens
nichts Selbstverständliches darstellt. Wir stiegen aus, machten die paar
Schritte zum Eingang und Fred sperrte auf. Drinnen betraten wir den Lift und
fuhren in den zweiten Stock hinauf. Das Gebäude war innen genauso schmucklos wie
außen. Einzig das schmutzige Braun der Außenseite war drinnen durch ein
blutleeres Grau ersetzt.
Wir standen vor Benders Wohnungstür. Fred klopfte, worauf sich die
Tür ein wenig öffnete und im freigewordenen Spalt, hinter der Stahlkette, sich
Benders Haushälterin zeigte. Sie nickte bloß, schloss die Tür wieder, das
Klirren der Kette war zu hören, und der Eingang war offen. Wir traten ein.
Das Interieur Benders passte eher zu einer Wohnung am Stefansplatz
als zu einer in Margareten. Dunkles Parkett bedeckte den Boden, auf dem alte
Perser lagen. Barockspiegel und alte Ölgemälde bedeckten die Wände. Fred führte
mich nach hinten, durch das Wohnzimmer, in Benders Arbeitsraum. Die Fenster
waren zugezogen, schwere weinrote Gardinen hingen bis auf den Boden. Es brannte
nur eine kleine Lampe, die neben einem Ohrensessel auf einem kleinen
Rauchtischchen stand. Das matte Licht spiegelte sich in der glattpolierten
Oberfläche des Rokokosekretärs an der Wand. Die Wände konnte ich im Halbdunkel
höchstens erahnen.
Bender saß im Ohrensessel, ein Buch auf dem Schoß, er schien ein
wenig zu dösen. Fred wies auf einen Stuhl, der
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