Papierkrieg
daran machten,
den Kaiserpalast zu besichtigen. Über ihnen schwebte, einer Wolke gleich,
polyglottes Geschnatter aller Erdteile.
Als es langweilig zu werden begann,
erschienen Bender und Fred. Fred ging wie immer links von Bender, etwa einen
halben Schritt hinter ihm. Es schien, als wäre er jederzeit bereit, den alten
Mann, sollte er straucheln, aufzufangen. Er trug eine schwarze Lederjacke,
Jeans und Cowboystiefel, Bender einen dunkelblauen Mantel aus dickem Wollstoff,
schwarz glänzende Schuhe und einen elegant pfiffigen Hut aus grauem Stoff mit
dunkelblauem Hutband. In der Rechten schwang er unternehmungslustig einen
Spazierstock aus schwarzem Holz.
Ich trat auf die beiden zu, als sie gerade im Begriff waren, das
Schlosstor zu passieren. Fred bemerkte mich sofort und auf ein winziges Zeichen
hin drehte mir Bender seinen Kopf zu, ohne dabei aber stehenzubleiben. Seine
Augen lagen wie immer tief in seinem Totenschädel, er presste die Lippen hart
aufeinander, sodass sie zu dünnen, blauen Strichen wurden. »Geh ein Stück mit
uns. Wir müssen reden.«
Daraufhin schwieg er wieder und ich ging rechts neben ihm. Da sich
Fred nie erlaubt hätte, in Gegenwart des Alten ungefragt zu sprechen, herrschte
Funkstille, während um uns herum die Touristen plapperten. Der Gegensatz
zwischen dem stillen Ernst Benders und der in Anbetracht des strahlenden
Wetters fröhlichen Ausgelassenheit der anderen machte mir klar, warum Bender in
Schönbrunn spazieren ging.
Obwohl ich nicht genau weiß, wie alt er wirklich ist, entstammte
er ohne Zweifel noch einer Generation, der es bewusst war, was für ein Privileg
es ist, im kaiserlichen Garten zu lustwandeln. Vielleicht waren in Benders
Kindheit noch Ehrenwachen am Tor gestanden, hinter dem der Kaiser wohnte, und
Bender hatte aufgeregt zugesehen, wie Limousinen und Kaleschen den Palast verließen.
Diesen Gedanken schob ich schnell beiseite, denn so alt war Bender sicherlich
nicht; aber den letzten Hauch von Tabu hatte er in seiner Kindheit sicher noch
gespürt.
Wir gingen zwischen dem Hauptgebäude und der Wagenburg nach hinten
in den Garten, das große Parterre. Da um diese Jahreszeit noch keine Blumen
gesetzt waren, fehlte die barocke Farbenpracht des Frühlings und Sommers, aber
die weite Fläche, begrenzt von grünen Hecken, zwischen denen weiße
Marmorstatuen stehen, war trotzdem eindrucksvoll. Wir gingen geradewegs auf den
Neptunbrunnen zu und bogen danach links ab in den Weg, der zwischen den Bäumen
zur kleinen Gloriette hinaufführt. Kaum hatten wir den Wald betreten, waren wir
alleine. Wir gingen noch ein paar Meter weiter, verließen den Weg und gingen
direkt unter den Bäumen, bis Bender stehen blieb und Fred ihm einen kleinen
Sack mit Nüssen reichte. Bender ging äußerst mühsam in die Knie, wobei er sich
mit einer Hand auf seinen Stock stützte und eine Haselnuss in seine Linke nahm.
Während er regungslos verharrte, präsentierte er die Nuss auf der offenen
Handfläche. Sofort zeigten sich zwei Eichhörnchen, die zwischen den Bäumen
dahergesprungen kamen. Drei oder vier Schritte vor uns blieben sie stehen und
stellten sich schnuppernd auf die Hinterbeine, die roten Schwänze zuckten
buschig hinter ihnen. Dann machte das linke den ersten Schritt und kam
vorsichtig näher, bis es sich an den Fingern Benders festhielt und die Nuss in
einer blitzschnellen Bewegung mit seinen scharfen Zähnen packte. Daraufhin
machte es kehrt und hoppelte ein paar Sprünge von uns weg. Setzte sich mit
aufgerichtetem Schwanz hin und begann, an der Nuss zu knabbern, die es in
seinen Vorderpfoten hin und her drehte.
Bender nahm eine zweite Nuss in die Hand und
bot sie wie zuvor an. Doch das zweite Eichhörnchen war nicht so mutig wie das
erste. Es tänzelte an einem unsichtbaren Kreisbogen entlang, ohne sich jedoch
näher zu wagen. Dann sprang es nach hinten und huschte geschwind einen
Baumstamm hinauf. Ich wollte mich schon enttäuscht abwenden, als Fred mir ganz
leise zuflüsterte »Wart no a kläle.« Als ich ihn anblickte, wies er nur mit
seinem Kopf nach oben. Das Eichhörnchen war in den Baum hinaufgestiegen und
schwang sich nun zu einem Ast der Eiche, die direkt hinter uns stand. Anschließend
kletterte es aufgeregt fiepsend den Stamm hinunter, bis es etwa
20 Zentimeter über dem Boden hielt und uns das Köpfchen entgegenreckte.
Bender drehte sich ganz vorsichtig um und hielt dem Tier wiederum die Nuss hin.
Es schnappte
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