Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich
Erzbischof Conrad Gröber (1872–1948) 1937 in seinem immer wieder aufgelegten
Handbuch der religiösen Gegenwartsfragen.
Dreimal nenne ihn Christus im Johannesevangelium den «Herrscher dieser Welt» (Johannes 12, 31, 14, 30 und 16, 11), und Paulus spreche sogar vom «Gott dieser Weltzeit» (2. Korinther 4,4). Für Gröber ist der Teufel nach dem eindeutigen Zeugnis der Heiligen Schrift «der Feind» schlechthin, der auf dem «Acker des Gottesreiches das Unkraut sät. … Der Teufel führt die Bösen an, die, sei es innerhalb der sichtbaren Kirche, sei es von außen, an dem Untergang des Reiches Christi arbeiten; aber er wird die auf den Felsen Petri gebaute Kirche nicht überwältigen.»[ 4 ] Diedualistische Annahme zweier gleichrangiger ewiger Prinzipien, Gott auf der einen und der Teufel auf der anderen Seite, hat die Kirche aber stets abgelehnt. Vielmehr wurde Luzifer als gefallener Engel betrachtet, wie schon das Vierte Laterankonzil 1215 festgehalten hat: «Der Teufel und die anderen Dämonen sind zwar von Gott der Natur nach gut geschaffen, aber sie sind von sich aus böse geworden. Der Mensch jedoch hat aufgrund der Einflüsterung des Teufels gesündigt.»[ 5 ] Die Ursünde der gefallenen Engel, die aus dem Himmel auf die Erde gestürzt sind, und der Sündenfall der Menschen im Paradies liegen somit auf einer Linie. Seither ist die Schlange, der Teufel, der Satan in der Welt und verführt in ganz unterschiedlichen Gestalten die Menschen immer neu zum Bösen. «Diese Gewalt Satans ist sehr ernst zu nehmen», heißt es im einschlägigen Teufelsartikel des
Lexikons für Theologie und Kirche
aus dem Jahr 1938, dem Standardwerk für katholische Theologen und Pfarrer. Christus, der ihn einen «Menschenmörder von Anfang an» (Johannes 8,44) nennt, habe im Teufel «den Feind seines ganzen Erlösungswerkes» gesehen.[ 6 ] Durch Christi Erlösertod am Kreuz habe die Kirche zwar ein wirksames Mittel zur Bekämpfung des Teufels in der Hand. Das bedeutet allerdings nicht, daß das Böse, wie wiederum Gröber ausführt, damit «einfach aus der Welt ausgeschlossen wäre». Vielmehr bleibe «die Macht des Satans zwar ‹bis zur Ernte› im Unkraut erkennbar», aber im Weltgericht werde seine Macht endgültig zerbrochen. «Im Hinblick darauf … wartet die Kirche in Zeiten der Verfolgung auf den Endsieg Christi.»[ 7 ] Bis zur Wiederkehr des Herrn zum Jüngsten Gericht sind der einzelne Christ und die Kirche den Versuchungen des Teufels ausgesetzt, wird der Kampf zwischen Gut und Böse unerbittlich ausgefochten.
Als natürlicher Gegenspieler des Bösen, gleich in welcher Gestalt es sich auch zeigte, war der Papst sowohl nach eigenem Selbstverständnis als auch nach den Erwartungen der Gläubigen gefordert. Der «Bischof von Rom, Stellvertreter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten, Oberster Pontifex der universalen Kirche, Patriarch des Abendlandes, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der römischen Kirchenprovinz und Souverän des Staates der Vatikanstadt»,[ 8 ] wie die offizielle Titulatur nach dem
Annuario Pontificio,
dem jährlich erscheinenden offiziellen päpstlichen Handbuch, lautet, mußte sich wie Jesus Christus selbst in der Heiligen Schrift dem Versucherund Fürsten der Welt stellen. Denn nach katholischer Glaubensüberzeugung «vertritt der Papst die Stelle Jesu Christi auf Erden».[ 9 ] In den heftigen Auseinandersetzungen mit dem absolutistischen Kirchenregiment zahlreicher meist protestantischer Staaten des 19. Jahrhunderts hatten nicht wenige Katholiken im Zuge des sogenannten Ultramontanismus ihre Hoffnungen
ultra montes,
über die Berge, nach Rom, auf den Papst als den in der Ewigkeit gründenden Petrusfelsen gerichtet, der in den tosenden Stürmen der Moderne Halt und Sicherheit bot, an den man sich in den Fluten des Bösen festklammern konnte. Man sah im Papst «gleichsam eine Inkarnation der übernatürlichen Ordnung», in der die Völker Christus selbst erkennen, «der deshalb in allen und für alle im Papst und mit dem Papst und durch den Papst ist»[ 10 ] – wie ein italienischer Bischof 1870 auf dem Ersten Vatikanischen Konzil formulierte. Die Volksfrömmigkeit ging noch einen Schritt weiter mit Formulierungen wie «Wenn der Papst meditiert, ist es Gott, der in ihm denkt».[ 11 ] Schließlich wurde sogar eine dreifache Inkarnation, eine dreifache Menschwerdung des Sohnes Gottes propagiert: durch die Geburt des ewigen Logos im Jesuskind im Stall von Bethlehem, durch die
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