Papst & Teufel - die Archive des Vatikan und das Dritte Reich
Apostolischer Visitator in Polen und Nuntius in Warschau am Ende des Ersten Weltkriegs in den Jahren 1918 bis 1921 aus eigener Anschauung kennengelernt. Seither war der russische Bolschewismus für den späteren Papst wie einen Großteil der Römischen Kurie die Verkörperung des Bösen par excellence, vor dem Kirche und Welt unbedingt geschützt werden mußten, mit dem man aber im Interesse der Rettung der Seelen zur Not auch verhandeln mußte.
Das Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich, das 1933 wenige Monate nach der «Machtergreifung» Hitlersabgeschlossen wurde, galt nicht wenigen als der Pakt des Papstes mit dem Teufel schlechthin. Auch wenn Pius XI. im Frühjahr 1933 Hitler als einzigen Staatsmann gelobt hatte, der – außer dem Papst selbst – sich öffentlich und eindeutig gegen den Kommunismus ausgesprochen habe, gaben sich der Pontifex maximus und sein Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli – der spätere Papst Pius XII. – über den menschenverachtenden und kirchenfeindlichen Charakter des nationalsozialistischen Regimes in Deutschland keinerlei Illusionen hin. In den vierziger Jahren scheint Pius XII. Hitler sogar ausdrücklich als vom «Teufel besessen» betrachtet zu haben. Nach Aussagen des Jesuiten Peter Gumpel, der als Untersuchungsrichter der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen seit Jahren die Erhebung Pius’ XII. zu den Ehren der Altäre betreibt, habe der Papst per «Fernexorzismus» mehrfach versucht, eine Teufelsaustreibung bei Hitler vorzunehmen und diesen so – allerdings ohne Erfolg – «vom Satan zu befreien».[ 15 ] Der Pakt mit Hitler war für die Kurie im Grunde ein Akt katholischer Vorwärtsverteidigung im Hinblick auf die schlimmen Zeiten, die man in Rom auf die Kirche unter nationalsozialistischer Herrschaft zukommen sah. Mit dem Reichskonkordat wollte man einen hohen Wall errichten, hinter dem die katholische Kirche ihrer von Gott übertragenen totalen Verantwortung für das ewige Seelenheil der ihr anvertrauten Gläubigen gegen den Absolutheitsanspruch des Nationalsozialismus und seiner Weltanschauung wenigstens halbwegs gerecht werden konnte.
Diese Rechnung scheint in seelsorgerlicher Hinsicht aufgegangen zu sein. Tatsächlich blieb die katholische Kirche die einzige Institution im «Dritten Reich», die sich der Gleichschaltung weitgehend erfolgreich entziehen und eine Eigenständigkeit ihrer Liturgie und Verkündigung erhalten konnte. Anders als bei der evangelischen Kirche, in der die Deutschen Christen als nationalsozialistischer Brückenkopf installiert werden konnten, gelang es den «braunen Truppen» nicht, in nennenswertem Umfang in den Innenraum der katholischen Kirche vorzudringen. Das Reichskonkordat verhinderte in Deutschland ein neues Seelsorge-Desaster, wie es während des Kulturkampfs der siebziger und achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts geherrscht hatte, als tausende Pfarreien und zahlreiche Bischofsstühle wegen des kirchenpolitischen Konflikts zwischen der katholischen Kirche und dem neuendeutschen Nationalstaat Otto von Bismarcks nicht besetzt werden konnten und daher zahllosen Gläubigen die Tröstungen der Heiligen Sakramente vorenthalten blieben. Damals waren Taufen, Firmungen, Eheschließungen und die Feier der heiligen Eucharistie in der Messe vielfach nicht möglich. Selbst die Sterbesakramente konnten oft nicht gespendet werden, so daß Katholiken ohne Beichte und Sündenvergebung, ohne seelsorgerlichen Beistand und Letzte Ölung vor Gottes Angesicht treten mußten.
Aber war der Preis für diese seelsorgerliche Selbstbehauptung der katholischen Kirche während des «Dritten Reichs» nicht viel zu hoch? Hatte der Papst mit seiner Konzentration auf das ewige Seelenheil der Katholiken nicht das zeitliche Wohlergehen aller Menschen vergessen? Wie kamen der Papst und seine engsten Mitarbeiter mit dem doppelten Anspruch zurecht, als oberste Hirten die ihnen anvertraute Herde durch finstere Schluchten zu sicheren Weideplätzen ans Wasser des Lebens zu führen und gleichzeitig Anwalt aller Menschen als Ebenbilder Gottes sein zu müssen? Wie sahen Pius XI. und sein Kardinalstaatssekretär Eugenio Pacelli die Entwicklung in Deutschland? Wie beurteilten sie die politischen Konstellationen in der Weimarer Republik? Wie nahm man den Aufstieg der Nationalsozialisten wahr? Hatte sich die Kurie auf Hitler und sein totalitäres Regime ausreichend vorbereitet? Glaubte man mit dem Nationalsozialismus nach dem Modell
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