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Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Paradies. Doch kein Himmel (German Edition)

Titel: Paradies. Doch kein Himmel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthea Bischof
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überfiel ihn wie nie zuvor. Blicklos erkannte er die Widergekehrten, fühlte ihre Gier und erahnte ihren Richtspruch.
    „Hast du uns nicht zum Male geladen?“ schien es um ihn her zu flüstern.
    „Haut ab, ich hab euch nicht gerufen“, rief er.
    „Gerufen hast du uns, gefangen hast du uns, gebunden und gezwungen hast du uns und glaubst, wir wären nicht gekommen? Das Herz hast du uns ausgefressen und glaubst, wir würden uns an deinem nicht laben wollen?“ sprach es da von allen Seiten.
    Wie klein kam er sich mit einem Mal vor , wie gering und einfältig. Was er sich aufgebaut, verrann zu einer nichtigen Pfütze. Machtlos wie ein Kleinkind erkannte er sich und masslose Furcht liess ihn frierend erzittern. Die Flucht war sein einziges Heil, als das warme Blut über seinen Rücken strömte. Marcial war, als drängten irre Fratzen auf ihn ein, hässliche Larven, als kehrten all die zurück, die er ins unentweichbare Dunkel gesandt, weil er sie mit Schuld beladen hatte, ehe sie starben. Nun wollten sie ihn als einen der ihren mit sich zerren.
    F ort, nur fort wollte er. Blind und schreiend rannte Marcial auf die bereits gebrochene Öffnung und warf sich wieder und wieder gegen die Wand bis der Sims nachgab unter den grausigen Windungen seines Leibes.
    Endlich barst das Holz und die Splitter stoben hinab, als Marcial im markerschütternden Schrei abstürzte. Da versiegte sein Brüllen, nur ein Röcheln blieb. Auf dem gebrochenen Ast des Baumes, über den Vincent Tage zuvor in das Haus gedrungen war, lag Marcial aufgespiesst und der Tod hatte ihn gefunden.
    Als der verdrehte Leib über den Ast des Baumes hing, floss in gesunden St römen sein Blut hervor, hellrotes Blut aus den Wunden des Rückens, der Brust und der Lenden. Überschäumend stiegen die Dämpfe auf und die Geister der Rache drängten hinzu und labten sich, rissen zurück die Habe, um die sie geprellt, forderten ihr Recht und hielten ihr Mahl. Ein jeder rissen sie ein Stück aus dem getöteten Mörder, labten sich an seinen Schandtaten und zerrissen ihn ganz. Weite Kreise zog die Nachricht seines Todes in der Gegenwelt der Geschadteten und der Schadensgebenden und alle eilten herbei.
    Wie reissende Tiere verlangten sie Genugtuung, forderten sein Leid für das Erlittene und wollten zurück ihren Verlust. So grausam war sein Schmerz, so unerträglich die Last, so bestialisch der Widerhall seines Lebens, dass er nicht standhalten konnte. So rissen die Dämonen aus seiner Seele ihren Anteil. Sie rissen an sich, was ihnen zustand und immer schwächer wurde das Menschlein, immer lauer das Bewusstsein, bis ein nichtiges Restchen des Ichs verblieb, das nach Ablauf seiner Lebenszeit dem Ewigen zuging. Aber weder folgte seine Seele ihm, noch war Licht in seinem Bewusstsein.
     
    Wird er wieder eintreten in die Sphäre der Menschen und ein neues Leben angehen, so werden zuerst die Dämonen mit ihren alten Lasten hinzukommen und eine bedrängte Geburt für ihn formen. Wird dann das Menschenkind seiner Wege gehen, so werden allerorts die alten Gespenster auf ihn warten und ihn zu neuerlichen Schandtaten rufen. Die zu vollführen ist er frei. Mag er die alte Macht, mag er die Sühne wählen, darin liegt seine Freiheit.
    Doch kann kein Mensch gerettet werden, der sechzehn Leben des Hasses geführt hat. Das wäre seine
    ewige Verdammnis.
     
     
     
     

 
    XXI
    Jeder Mensch ist eine ganze Welt. Und sind wir auch geboren in Wasser und Blut, so ist doch einzig ein jedes Menschenkind und verbleibt es in Leben und Tod.
    Es gibt keine Masse, es gibt immer nur viele und
    nichts darf die Verderbnis des Einzelnen fordern. Verloren wäre dann des Menschen ganzer Sinn und die Bedeutung von allem was ist.
    Wer wollte denn dem Menschen rauben sein Bewusstsein des Ewigen? Wer wollte aufgeben
    die Wahrheit seiner ganzen Welt?
    Denn er vergäbe sein Selbst und
    verdürbe das
    Licht.
     
    „Vincent! Vincent, hörst du mich?“
    Eine wohltuende Feuchtigkeit floss über seine Lippen und ergoss sich in seinen ausgedörrten Mund. Sein ganzer Körper schmerzte und er wusste, dass ihm jemand übelst mitgespielt hatte.
    „Vincent, wach auf“, sagte die Stimme.
    Er blinzelte und zog die Brauen zusammen, denn das Licht schmerzte ihn, als er die Augen öffnete. Vor sich sah er das Gesicht von Consuelo. Kleine zarte Consuelo. Von allen Menschen auf der Welt hatte sie ihn gerettet. Sie lächelte und goss mehr Wasser über seine Lippen und Vincent trank ein paar Schlucke. Es tat wohl und er

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