Paradies Pollensa
verneinte das, und meiner Ansicht nach war es auch gar nicht im Esszimmer gewesen. Miss Lingard meinte, es wäre oben gewesen, aber dann kamen wir überein, dass es sicherlich eine Fehlzündung war, gingen ins Wohnzimmer und dachten nicht mehr darüber nach.«
»Es ist Ihnen also überhaupt nicht der Gedanke gekommen, Sir Gervase könnte sich erschossen haben?«, fragte Poirot.
»Aber ich bitte Sie – wer denkt denn schon an so etwas! Und ich kann mir auch nicht erklären, warum er es getan hat. Vielleicht doch wohl, weil er verrückt war.«
»Ein unglücklicher Vorfall.«
»Sehr – besonders für Hugo und mich. Ich kann mir vorstellen, dass er Hugo nichts oder doch fast nichts vererbt hat.«
»Wer hat Ihnen das gesagt?«
»Hugo hat es vom alten Forbes.«
»Ja, Miss Cardwell…« Major Riddle schwieg einen Moment. »Ich glaube, dass ist alles. Meinen Sie, dass Miss Chevenix-Gore in der Lage sein wird, zu uns herunterzukommen?«
»Das glaube ich schon. Ich werde ihr Bescheid sagen.«
»Einen Moment noch, Mademoiselle. Haben Sie das hier schon irgendwann einmal gesehen?«, fragte Poirot.
Er hielt ihr Colonel Burys Bleistift hin.
»Aber ja, heute Nachmittag beim Bridge haben wir damit geschrieben. Ich glaube, er gehört dem alten Colonel.«
»Hat er ihn eingesteckt, als das Spiel zu Ende war?«
»Das kann ich Ihnen wirklich nicht sagen.«
»Vielen Dank, Mademoiselle. Das war alles.«
»Schön, dann sage ich jetzt Ruth Bescheid.«
Ruth Chevenix-Gore betrat das Zimmer wie eine Königin. Aber ihre Augen waren, wie die Susan Cardwells, sehr wachsam. Sie trug dasselbe Kleid wie bei Poirots Ankunft. An ihre Schulter hatte sie eine lachsfarbene Rose gesteckt. Noch vor einer Stunde war diese Blume frisch und voll erblüht gewesen; jetzt fing sie an zu welken.
»Ja?« sagte Ruth.
»Es tut mir außerordentlich Leid, Sie belästigen zu müssen«, begann Major Riddle.
»Es ist doch nur natürlich, dass Sie mich belästigen müssen. Aber ich kann Ihnen Zeit sparen: Ich habe nicht die leiseste Idee, warum mein Vater sich erschossen hat. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ihm gerade das überhaupt nicht ähnlich sah.«
»Ist Ihnen an seinem Verhalten heute irgendetwas merkwürdig vorgekommen? War er deprimiert oder ungewöhnlich erregt?«
»Ich habe nichts bemerkt…«
»Wann haben Sie ihn zum letztenmal gesehen?«
»Beim Tee.«
»Sind Sie danach noch in seinem Arbeitszimmer gewesen?«, fiel Poirot ein.
»Nein. Zum letztenmal habe ich ihn in diesem Zimmer gesehen. Er saß dort drüben.«
Sie zeigte auf einen Stuhl.
»Ich verstehe. Kennen Sie diesen Bleistift, Mademoiselle?«
»Er gehört Colonel Bury.«
»Haben Sie diesen Bleistift in letzter Zeit irgendwo gesehen?«
»Das kann ich wirklich nicht genau sagen.«
»Wissen Sie irgendetwas von einer – Unstimmigkeit zwischen Sir Gervase und Colonel Bury?«
»Wegen der Paragon Synthetic Rubber Company, meinen Sie?«
»Genau.«
»Ja. Der Alte war darüber ziemlich wütend.«
»Glaubte er vielleicht, beschwindelt worden zu sein?«
Ruth zuckte die Schultern.
»Von finanziellen Dingen hatte er nicht die geringste Ahnung.«
Poirot zog den Brief aus der Tasche.
»Lesen Sie das, Mademoiselle.«
Sie las den Brief und gab ihn dann zurück.
»Deshalb sind Sie also hierher gekommen!«
»Sagt er Ihnen irgendetwas – dieser Brief?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein. Wahrscheinlich stimmt es, was er schreibt. Diesen armen alten Mann hätte jeder betrügen können. John meint, der vorige Verwalter hätte ihn von hinten und von vorn begaunert.«
»Wussten Sie, Mademoiselle, dass er sich mit der Absicht trug, ein neues Testament aufzusetzen, nach dem Sie sein Vermögen nur erben sollten, wenn Sie Mr Trent heirateten?«
»Das ist doch albern!«, rief sie. »Außerdem hätte man es sicher anfechten können… Man kann den Leuten doch bestimmt nicht einfach vorschreiben, wen sie heiraten sollen!«
»Hätten Sie sich einem derartigen Testament unterworfen, Mademoiselle, wenn es tatsächlich unterschrieben worden wäre?«
Sie starrte vor sich hin.
»Ich…«
Sie unterbrach sich. Zwei oder drei Minuten lang saß sie unentschlossen da und schaute auf ihren wippenden Pumps hinunter. Ein kleiner Erdbrocken löste sich vom Absatz des Schuhes und fiel auf den Teppich.
Plötzlich sagte Ruth Chevenix-Gore: »Warten Sie einen Moment!«
Sie stand auf und lief hinaus. Fast unmittelbar darauf kehrte sie wieder zurück, begleitet von Captain Lake.
»Es ist
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