Paradies Pollensa
fordert ihr Recht.«
»Was soll das heißen?«
»Es ist nicht gesund für einen jungen Mann, nur an ernsten Themen interessiert zu sein. Er sollte sich schon ein wenig austoben.«
»Sie scherzen, Mr Pyne!«
»Ich scherze überhaupt nicht. Ist die junge Dame zufällig jene, mit der Sie gestern Tee tranken?«
Sie war ihm aufgefallen in ihrer grauen Flanellhose, dem leuchtend roten, lose um die Brust geschlungenen Tuch und dem grellrot geschminkten Mund. Außerdem hatte sie sich einen Cocktail bestellt statt Tee.
»Sie sahen sie? Schrecklich! Nicht die Art Mädchen, die Basil früher bewunderte.«
»Sie haben ihm nicht viel Gelegenheit gegeben, ein Mädchen zu bewundern, nicht wahr?«
»Ich?«
»Er ist immer lieber mit Ihnen zusammen gewesen. Das ist schlecht! Jedenfalls würde ich sagen, er wird es sich noch überlegen – falls Sie nicht dazwischenpfuschen.«
»Sie verstehen nicht: Er will das Mädchen heiraten – Betty Gregg –, sie sind verlobt.«
»Ist es schon so weit?«
»Ja. Mr Parker Pyne, Sie müssen etwas tun. Sie müssen meinen Sohn vor dieser verheerenden Ehe bewahren. Sein ganzes Leben wäre ruiniert.«
»Niemand außer man selbst kann das eigene Leben ruinieren.«
»Bei Basil aber schon…«, sagte Mrs Chester mit Nachdruck.
»Ich mache mir keine Sorgen um Basil.«
»Machen Sie sich etwa Sorgen um das Mädchen?«
»Nein, sondern um Sie. Sie haben aber etwas vergessen.«
Mrs Chester sah ihn leicht indigniert an.
»Was bedeuten die Jahre zwischen zwanzig und vierzig? Man ist beschäftigt mit seinen Gefühlen, mit sich selbst. Das muss so sein. Das ist das Leben. Aber später verschieben sich die Akzente. Man denkt klarer, lernt beobachten, andere Menschen verstehen und erhält Einsichten in viele Zusammenhänge. Das Leben wird wirklich – bedeutungsvoll. Man sieht es als ein Ganzes. Nicht nur eine einzelne Szene, in der man gerade als Schauspieler agiert. Kein Mensch ist wirklich er selbst vor fünfundvierzig. Dann erst hat seine Individualität eine Chance.«
Mrs Chester entgegnete: »Ich habe mich für Basil aufgeopfert. Er war alles für mich.«
»Nun, das ist bedauerlich. Dafür müssen Sie jetzt bezahlen. Lieben Sie ihn, so viel Sie wollen – aber Sie sind Adela Chester, denken Sie daran, eine eigenständige Persönlichkeit, nicht nur Basils Mutter.«
Er betrachtete ihre feinen Gesichtszüge, bemerkte den traurigen Ausdruck um ihren Mund. Sie war irgendwie eine liebenswerte Frau. Er wollte nicht, dass sie litt. Darum sagte er:
»Ich will sehen, was ich tun kann.«
Basil Chester war nicht nur bereit zu reden, er war geradezu begierig, seinen Standpunkt darzulegen.
»Diese Angelegenheit ist einfach höllisch. Mutter ist hoffnungslos – voller Vorurteile, engstirnig. Wenn sie es nur versuchte, dann würde sie bald merken, was für ein feiner Kerl Betty ist.«
»Und Betty?«
Er seufzte.
»Betty ist verdammt schwierig! Wenn sie sich nur ein wenig anpassen würde – ich meine, zum Beispiel den Lippenstift mal einen Tag lang weglassen –, würde das schon viel ausmachen. Sie muss aber alles übertreiben, um – modern – zu sein, wenn Mutter in der Nähe ist.«
Mr Parker Pyne lächelte.
»Betty und Mutter sind die liebsten Menschen auf der Welt. Ich dachte, sie müssten einander wunderbar verstehen.«
»Sie haben noch viel zu lernen, junger Mann«, sagte Mr Parker Pyne.
»Ich würde mich freuen, wenn Sie Betty mal besuchten und mit ihr redeten.«
Mr Parker Pyne nahm die Einladung bereitwillig an.
Betty und ihre Schwester samt Gatten wohnten in einer kleinen, vernachlässigten Villa etwas landeinwärts. Ihr Leben war von erfrischender Einfachheit. Das Mobiliar bestand aus drei Sesseln, einem Tisch, Betten und einem Wandschrank fürs Geschirr. Hans war ein nervöser junger Mann mit wildem blondem Haar, das ihm vom ganzen Kopf abstand. Er sprach sehr schlecht Englisch, das aber mit unglaublicher Geschwindigkeit, und ging dabei auf und ab. Stella, seine Frau, war klein und blond. Betty Gregg hatte rotes Haar, Sommersprossen und schelmische Augen. Es fiel sofort auf, dass sie heute nicht annähernd so aufgemacht war wie neulich im Pino d’ Oro.
Sie schenkte ihm einen Cocktail ein und sagte mit einem Augenzwinkern:
»Sind Sie an der Verschwörung beteiligt?«
Mr Parker Pyne nickte.
»Und auf wessen Seite stehen Sie, Big Boy? Auf der der jungen Liebenden – oder auf jener der missbilligenden alten Dame?«
»Darf ich Sie etwas fragen?«
»Natürlich.«
»Waren Sie
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