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Paradies

Paradies

Titel: Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liza Marklund
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beenden.
    »Wenn Sie nicht noch etwas anderes vorzubringen haben, dann…«
    »Wussten Sie, dass hier, in diesem Moment, in Schweden Menschen im Untergrund leben?«, fragte die Frau leise. »Frauen und Kinder, die misshandelt werden und in Schwierigkeiten sind?«
    Nein, dachte Annika. Alles, nur das nicht.
    »Vielen Dank für Ihren Anruf«, antwortete sie, »aber das ist leider kein Thema, mit dem wir uns heute Abend beschäftigen können.«
    Die Frau im Hörer sprach jetzt lauter.
    »Wollen Sie jetzt etwa auflegen? Bin ich und was ich tue Ihnen völlig egal? Wissen Sie eigentlich, wie vielen Menschen ich schon geholfen habe? Sind Ihnen Frauen, die verfolgt werden, wirklich völlig egal? Ihr Journalisten sitzt da in euren Zeitungsredaktionen und habt nicht die geringste Ahnung, wie es in der Gesellschaft um euch herum aussieht.«
    Annika war schwindlig, sie bekam keine Luft mehr.
    »Sie wissen nichts über mich«, sagte sie.
    »Die Medien sind überall gleich. Ich habe geglaubt, das
Abendblatt
wäre besser als die renommierten Zeitungen, aber Ihnen sind misshandelte und bedrohte Frauen und Kinder offensichtlich genauso egal.«
    Das Blut schoss ihr in den Kopf.
    »Sagen Sie mir nicht, wofür ich stehe«, sagte Annika viel zu laut.
    »Kommen Sie hier nicht an und behaupten Sachen, über die Sie nichts wissen.«
    »Warum wollen Sie mich dann nicht anhören?«
    Die Frau am anderen Ende der Leitung klang verärgert.
    Annika legte die Hände vors Gesicht und wartete.
    »Es geht um Menschen, die isoliert sind«, erklang die Stimme der Frau im Hörer, »die Morddrohungen erhalten, um ihr Leben bangen. Wie sehr sie sich auch verstecken, es gibt doch immer jemanden oder etwas, das dafür sorgt, dass man sie aufstöbern kann – ein Sachbearbeiter auf dem Sozialamt, ein Gericht, ein Bankkonto, ein Kindergarten…«
    Annika antwortete nicht, lauschte stumm in den Hörer hinein.
    »Die meisten sind natürlich Frauen und Kinder, wie Sie sich vielleicht denken können«, fuhr die Frau fort, »sie leben in unserer Gesellschaft am gefährlichsten. Andere Betroffene sind Zeugen, denen jemand droht, Menschen, die bei diversen Sekten ausgestiegen sind oder von der Mafia gejagt werden, Journalisten, die Enthüllungen gemacht haben, aber vor allem geht es natürlich um Frauen und Kinder, die Morddrohungen erhalten haben.«
    Annika griff unschlüssig nach einem Stift und begann sich Notizen zu machen.
    »Wir bilden eine Gruppe«, sagte die Frau, »die auf diesem neuen Betätigungsfeld aktiv ist. Ich bin die Geschäftsführerin. Sind Sie noch dran?«
    Annika räusperte sich.
    »Was unterscheidet Sie von herkömmlichen Frauenhäusern mit geheim gehaltenen Adressen?«
    Die Frau im Hörer seufzte resigniert.
    »Einfach alles. Die Frauenhäuser werden mit völlig unzulänglichen öffentlichen Geldern finanziert. Sie haben einfach nicht die Mittel, das zu leisten, was wir tun. Wir sind eine rein private Initiative mit ganz anderen Möglichkeiten.«
    Der Stift versagte den Dienst. Annika warf ihn in den Papierkorb und kramte einen neuen hervor.
    »Inwiefern?«
    »Mehr möchte ich am Telefon lieber nicht sagen. Könnten wir uns vielleicht treffen?«
    Annika sackte in sich zusammen, wollte nicht, hatte nicht die Kraft.
    »Bengtzon!«
    Ingvar Johansson baute sich vor ihr auf.
    »Einen Moment, bitte«, sagte sie in den Hörer und drückte ihn an die Brust. »Was ist?«
    »Wenn Sie sonst nichts zu tun haben, können Sie das doch eingeben.« Der Nachrichtenchef hielt ihr einen Stapel Sportergebnisse aus den unteren Ligen entgegen.
    Die Frage traf Annika wie ein Faustschlag in den Magen. Nein, verdammt noch mal! Sie wollten sie für etwas ausnutzen, was sie als Vierzehnjährige beim
Katrineholms-Kuriren
gemacht hatte: Ergebnisse in Tabellen einfügen.
    Sie wandte sich von Ingvar Johansson ab, hob den Hörer wieder ans Ohr und sagte:
    »Ich könnte mich jetzt mit Ihnen treffen, auf der Stelle.«
    Die Frau war freudig überrascht.
    »Schon heute Abend? Wie schön!«
    Annika biss die Zähne zusammen, spürte den Blick des Nachrichtenchefs im Nacken.
    »Wo wäre es Ihnen recht?«, fragte sie.
    Die Frau nannte den Namen eines Hotels in einem Vorort, wo Annika noch nie gewesen war.
    »Sagen wir, in einer Stunde?«
    Ingvar Johansson war nic ht mehr da, als sie auflegte. Schnell zog sie ihre Jacke an, hängte sich die Tasche über die Schulter und sprach mit dem Hausmeister. Natürlich waren keine Dienstwagen da, sodass sie sich ein Taxi rief. In ihrer Freizeit

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