Paradies
ausweichend.
Die Frau strich ihren hellen Rock glatt, fuhr sich über das streng nach hinten gekämmte Haar.
»Über welche Themen schreiben Sie denn so?«, erkundigte sie sich und versuchte Annikas Blick auf sich zu ziehen. Ihre Stimme war hell und ein wenig matt.
Annika räusperte sich.
»Im Moment besteht meine Arbeit vor allem darin, Texte zusammenzustellen und durchzugehen«, erwiderte sie wahrheitsgemäß.
»Welche Art von Texten?«
Sie strich sich über die Stirn.
»Alle möglichen. Heute Nacht ging es um den Orkan, vor ein paar Tagen habe ich den Fall eines behinderten Jungen bearbeitet, bei dem sich die Stadtverwaltung geweigert hat, ihrer Verantwortung gerecht zu werden…«
»Ah!«, sagte Rebecka Björkstig und legte die Beine übereinander.
»Dann fällt unser Tätigkeitsbereich ja genau in Ihr Ressort. Städte und Gemeinden sind unsere wichtigsten Auftraggeber. Könnte ich bitte eine Tasse Kaffee bekommen?«
Ein Kellner mit einer schmutzigen Schürze war neben ihnen aufgetaucht. Annika nickte kurz, als er fragte, ob sie auch eine wolle.
Ihr war schlecht, sie wollte nach Hause, wollte weg. Rebecka Björkstig lehnte sich gegen die geschwungene Rückenlehne ihres Stuhls. Ihre Augen waren hell und rund, sanft und ausdruckslos.
»Wir sind eine gemeinnützige Stiftung, aber unsere Arbeit muss natürlich bezahlt werden. Es sind häufig die Sozialämter in verschiedenen Städten im ganzen Land, die unsere Unkosten tragen.
Wir verdienen keinen Pfennig daran.«
Die Stimme war immer noch gleich bleibend sanft, aber dennoch hatten die Worte einen harten Klang.
Sie ist nur aufs Geld aus, dachte Annika und sah zu der Frau auf.
Sie macht das, um sich auf Kosten von bedrohten Frauen und Kindern zu bereichern.
Die Frau lächelte.
»Ich weiß, was Sie denken. Ich versichere Ihnen, dass Sie sich irren.«
Annika sah zu Boden, fingerte an einem Zahnstocher herum.
»Warum haben Sie gerade heute Abend gerade uns angerufen?«
Rebecka Björkstig seufzte und wischte sich die Fingerspitzen an einer Serviette ab, die sie in der Tasche hatte.
»Offen gesagt, wollte ich nur anrufen, um mich zu erkundigen«, meinte sie. »Ich habe in der Zeitung über die Verwüstungen durch den Orkan gelesen und sah die Telefonnummer im Impressum.
Wir erwägen schon eine ganze Weile, mit unserer Arbeit an die Öffentlichkeit zu treten, aber mein Anruf war ein wenig spontan, könnte man sagen.«
»Ich habe noch nie von Ihrer Organisation gehört«, sagte Annika.
Die Frau lächelte wieder. Es war ein Lächeln, das so flüchtig war wie der Luftzug in einem Raum.
»Bislang hatten wir noch nicht die Mittel, den Zustrom aufzufangen, der aller Wahrscheinlichkeit nach auf uns zukommen wird, wenn wir an die Öffentlichkeit gehen, aber das hat sich geändert.
Heute haben wir die Mittel und die Kompetenz, zu expandieren, und deshalb ist es uns wichtig, nicht länger zu zögern. Es gibt so viele, die unsere Hilfe benötigen.«
Annika holte Stift und Notizblock aus ihrer Tasche.
»Erzählen Sie mir, worauf das Ganze hinausläuft.«
Die Frau warf erneut einen Blick in die Runde und wischte sich die Mundwinkel ab.
»Unsere Arbeit setzt da an, wo die Möglichkeiten der Behörden erschöpft sind«, sagte sie ein wenig gehetzt. »Wir sind ausschließlich dafür zuständig, wirklich bedrohten Menschen zu einem neuen Leben zu verhelfen. Drei Jahre lang haben wir dafür gearbeitet, dass unser System funktioniert. Jetzt sind wir sicher, dass es klappt.«
Annika wartete schweigend.
»Und wie?«
Der Kellner kam mit dem Kaffee. Er war grau und bitter. Rebecka Björkstig legte eine Serviette zwischen Tasse und Untertasse und rührte mit dem Löffel in dem Gebräu.
»Unsere Gesellschaft ist heute auf allen Ebenen so computerisiert, dass niemand ihr entgehen kann«, sagte sie leise, nachdem die Bedienung wieder verschwunden war. »Wohin diese Menschen sich auch wenden, es gibt immer Personen, die ihre neue Adresse, neue Telefonnummer, neue Kontonummer, ihren neuen Mietvertrag kennen. Auch wenn alle Angaben streng vertraulich behandelt werden sollten, so sind sie doch verfügbar in Krankenblättern im Krankenhaus, auf dem Sozialamt, beim Amtsgericht, in Steuerregistern, Firmenregistern, überall.«
»Kann man da nicht irgendetwas machen?«, fragte Annika vorsichtig. »Gibt es keine Möglichkeit, die Adressen aus den Registern zu streichen, eine neue Personennummer zu bekommen und so weiter?«
Der Frau entfuhr ein weiterer schwacher
Weitere Kostenlose Bücher