Paradies
einbringen? Hinrichtung?
Eine Abrechnung in der Unterwelt? Die Polizei befürchtet einen Gangsterkrieg?«
Sie lachten ein wenig.
»Vermutlich alle«, meinte Berit.
Sie schrieb ihre Notizen zur Stiftung
Paradies
ins Reine, und anschließend beauftragte Jansson sie damit, die neuen Texte über den Orkan zu bearbeiten. Die langen Nachtschichten machten sich immer stärker bemerkbar, und sie musste sich dauernd die Augen reiben, damit die Buchstaben nicht verschwammen.
Glücklicherweise war der große Artikel über den behinderten Jungen schon fertig redigiert und brauchte nur noch eingefügt zu werden. Vier Seiten darüber, wie das Sozialamt gegen die Kommunalgesetzgebung verstieß und dem Kind nicht die Fürsorge zuteil werden ließ, die ihm zustand. Es würde eine ruhige Nacht werden, vielleicht sogar zu ruhig.
Kurz vor Mitternacht brach der Rest der Nachtschicht nach unten auf, um zu essen. Annika blieb oben, ging ans Telefon, hatte ein Auge auf die neuen Meldungen der Nachrichtenagentur und war erleichtert, nicht mitgehen zu müssen. Als die Kollegen verschwunden waren, zögerte sie einen Augenblick und schwankte, ob sie ins Koma fallen oder ein paar Sachen recherchieren sollte.
Dann setzte sie sich auf Janssons Platz, dessen Computer immer online war, und suchte über Yahoo nach einer Stiftung namens
Das Paradies.
Der Computer suchte, fand aber nichts. Dann versuchte sie es nur mit
Paradies
und bekam ein paar Treffer, eine Werbeagentur, einen freikirchlichen Pastor in Vetlanda mit eigener Homepage, einen Film mit Leonardo DiCaprio, nichts über eine Organisation, die bedrohten Frauen und Kindern half.
Sie ging an ihren Platz zurück, sah sich die Agenturmeldungen an.
Keine
breaking news.
Sie wählte die Kurzwahlnummer des Archivs im zweiten Stock, wo sie eine Broschüre über Stiftungen hatten, die das Finanzamt zum Thema Steuergesetzgebung herausgegeben hatte. Sie bestellte sie, aber als der Hausmeister sich endlich dazu bequemt hatte, sie hochzubringen, hatte sie keine Lust, darin zu lesen. Sie drehte eine Runde, rieb sich die Augen, war müde, zermürbt, desinteressiert. Sie setzte sich wieder an ihren Platz, sehnte das Ende ihrer Schicht herbei, damit sie nicht mehr herkommen und nicht mehr in ihrer Wohnung sein musste. Sie verspürte einen leichten Druck auf der Brust, die Sinnlosigkeit machte ihr zu schaffen.
»Sjölander«, rief sie. »Was soll ich tun? Eine Übersicht mit Fakten zur Geschichte der jugoslawischen Mafia zusammenstellen?«
Er telefonierte gerade, hob aber den Daumen.
Annika ging wieder zu Janssons Platz und rief das Computerarchiv auf, wo sie unter Jugoslawien und Mafia suchte.
Den Ausschnitten zufolge, die sie fand, waren kriminelle jugoslawische Gruppierungen schon seit mehreren Jahrzehnten in zahlreichen Orten Schwedens etabliert, sowohl in den Großstädten als auch in kleineren Orten auf dem Lande. Ihre Hauptbetätigungsfelder waren Schmuggel und Rauschgifthandel, oftmals mit einem Restaurant als Deckmantel, aber in den letzten Jahren hatten sich ihre Aktivitäten verändert. Nachdem die Regierung vor ein paar Jahren die Tabaksteuer in zwei Stufen drastisch angehoben hatte, wechselten viele Schmuggler von Rauschgift zu Zigaretten. Eine Stange Zigaretten wurde für dreißig bis fünfzig Kronen in Osteuropa eingekauft, wo die schwedischen Marken Prince und Blend unter Lizenz hergestellt wurden. Anschließend wurden sie entweder direkt oder über Estland nach Schweden geschafft.
Annika saß eine Weile stumm am Computer und las in den Suchergebnissen. Dann ging sie zu Sjölander. Er hatte das Telefonat beendet und tippte, dass die Zeigefinger nur so auf die Tastatur hämmerten.
»Werden wir uns darauf festlegen, dass es sich um einen Mord unter Jugoslawen handelt?«, wollte sie wissen.
Sjölander seufzte schwer.
»Na ja«, antwortete er, »das ist eine schreibtechnische Frage. Ein Mord im Gangstermilieu ist es auf jeden Fall, eine Art Abrechnung in Mafiakreisen.«
»Vielleicht sollten wir uns dann nicht auf ein bestimmtes Land festlegen, oder?«, fragte Annika. »Es gibt doch jede Menge krimineller Gruppen, die hier seit Jahren ihren Geschäften nachgehen.
Soll ich eine kleine Auflistung über die verschiedenen Mafiagruppen und ihre Spezialgebiete zusammenstellen?«
Sjölander brachte seine Zeigefinger wieder in Stellung.
»Kannst du machen.«
Annika ging zum Platz zurück und rief ihren Informanten an. Er ging sofort an den Apparat.
»Sie arbeiten spät«, stellte
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